Kreis Südliche Weinstraße Kulturgenuss will gut geplant sein

Gossersweiler-stein. Könnten Möbelstücke sprechen, sie hätten bestimmt die interessantesten Geschichten zu erzählen, die sie über Jahrzehnte, manchmal sogar über Jahrhunderte hinweg erlebt haben. In Gossersweiler zum Beispiel ein Schreibtisch, der in einer Schreinerei in Bergzabern 1936 in Handarbeit gefertigt wurde – massiv versteht sich – und bis heute in Familienbesitz von Albrecht Hafner ist. Sein Vater Albin Hafner, Lehrer in Gleiszellen-Gleishorbach, Klingenmünster und danach bis zu seinem Tod 1972 in Gossersweiler-Stein, hat an diesem Schreibtisch unzählige Schularbeiten korrigiert, unzählige Zeugnisse geschrieben. Neben dem Lehramt gehörte Fußball und vor allem Chorgesang zu seinen Hobbys. Hafner dirigierte gleich vier Chöre. Als engagierter Chorleiter überarbeitete er an seinem Schreibtisch die Chorliteratur, wie sich sein Sohn Albrecht noch gut erinnert. „Jedes Jahr organisierte mein Vater für seine Schulklasse eine Fahrt zu den Weihnachtsaufführungen des Karlsruher Theaters, für uns Kinder eine vorgezogenes Weihnachtsgeschenk“, erinnert sich Albrecht Hafner. Diese Theaterfahrten inspirierte den Schullehrer zu einer Idee: Er organisierte von seinem Schreibtisch aus auch Fahrten für Erwachsene. Nach Verhandlungen mit dem Theater in Karlsruhe mietete er einen Bus, gründete die Theatergemeinde Klingbachtal und fährt mit gleichgesinnten Theaterfreunde von Oktober bis Juli einmal im Monat zu Aufführungen nach Karlsruhe. Egal ob Oper, Operette, Ballett, Schauspiel, Singspiel oder Drama – für jeden Geschmack suchte Hafner die passenden Stücke heraus. Immer mehr Theaterfreunde begeisterten sich für diese Fahrten, die Hafner an seinem Schreibtisch plante. Mit seiner Theaterleidenschaft infizierte der Pädagoge auch seine Familie und als Albin Hafner mit nur 57 Jahren plötzlich starb, übernahm kurze Zeit seine Frau Erna die Organisation der Fahrten. Von frühester Kindheit mit den Theaterfahrten vertraut, ist auch Sohn Albrecht, der vor rund 25 Jahren das Engagement seiner Eltern übernahm und bis heute fortsetzt. „Vor 60 Jahren rief mein Vater die „Theatergemeinde Klingbachtal“ ins Leben, damals war ich gerade mal sechs Jahre alt und erinnere mich noch zu gut, wie mein Vater an seinem Schreibtisch Listen der Mitfahrer ausfüllte, Eintrittsgelder verbuchte und Stücke auswählte. Die erste Aufführung, an die ich mich erinnern kann, war „Der Zarewitsch“ von Franz Lehar. „Ich bin froh, dass ich seit nunmehr knapp 35 Jahren das Werk meines Vaters fortsetzen und immer wieder Theaterfreunde dafür gewinnen kann“, erzählt voller Stolz der heute 66-Jährige, der wie sein Vater die Theaterbesuche von dem 160 mal 80 Zentimeter großen Schreibtisch aus managt – heute allerdings mit Unterstützung eines Laptops.

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