Kreis Südliche Weinstraße Ein Herz für Sorgen-Oldies

Alt, groß und sehr sanierungsbedürftig – solche Bauten sind auf dem Immobilienmarkt ein fast hoffnungsloser Fall. Da mögen sie noch so schön und historisch wertvoll sein. Ein Trio, das Altbauten liebt, hat sich jetzt dieser Sorgen-Oldies unter den Häusern angenommen. Zum Beispiel in Ilbesheim: Dort soll ein Gehöft saniert und mit neuem Leben erfüllt werden.

Die Fassade des ehemals stolzen Hofs bröckelt. An der Tür steht: „Vorsicht, bissiger Hund.“ Aber hier bellt und beißt und wohnt schon lange niemand mehr. Das Medart-Haus, wie es im Dorf nach einer früheren Besitzerin genannt wird, steht seit rund 30 Jahren leer. Über dem Torbogen ist die Jahreszahl 1848 gemeißelt. Doch zweifellos ist ein Teil des denkmalgeschützten Anwesens viel älter, stammt wahrscheinlich aus dem Barock. Viele Generationen haben hier ihre Spuren hinterlassen. Im Lauf der Jahrhunderte wurde immer wieder angebaut, bis ein stattlicher Vierkanthof entstanden ist. Ein Schritt durch das verwitterte Tor – und man steht in einer versunkenen Welt. Überall sind unter Staub und Spinnweben Zeichen früheren Lebens zu entdecken: Stapel leerer Weinkisten stehen im Innenhof, daneben die maroden, schönen Fensterläden. Knorzige schiefe Bäume sind im Höfchen vor der früheren Schnapsbrennerei gewachsen, innen steht noch der alte Brennofen. Das Herrenhaus und der barocke Uraltbau erscheinen wie ein kleines Labyrinth. Treppauf, treppab entdeckt man Zimmer mit rustikalen Holzdielen, in vielen stehen noch alte Möbel, Schränke und Betten, das dunkelrote Plüschsofa neben dem Nierentisch. Tausend Entdeckungen könnte man machen, vom Stickrahmen bis zu Uromas rosa Mieder. Ein Haus mit Charakter, ein Gehöft mit Geschichte. Doch hat es auch eine Zukunft? Solche sehr großen Anwesen, die das Bild pfälzischer Dörfer (noch) prägen, finden nur selten einen Käufer. Höchstens einen Investor, der sie abreißen und durch einen Neubau ersetzen will. Ein wagemutiges Team von Projektentwicklern hat sich zusammengetan, um interessanten alten Häusern dieses Schicksal zu ersparen. Susanne Schultz (Gestaltung, Umgebungspsychologie), Ursula Mueller (Gestaltung, Vermarktung) und Michael Kleemann (Stadtplaner) haben die Idee entwickelt, betagte Immobilien wie die in Ilbesheim stückweise anzubieten und, wenn sich genügend Interessenten finden, insgesamt zu sanieren. Drei Objekte hat das Trio zurzeit im Blick: Neben dem Medart-Hof ist das, wie bereits berichtet, ein Anwesen in Dammheim, sowie eine Hofanlage beim ehemaligen Schloss in Essingen (siehe Zur Sache). Die Zielgruppe sind Menschen, die das besondere Flair historischer Gebäude lieben, aber nicht bereit sind, Jahre oder Jahrzehnte ihres Lebens für eine aufwendige Sanierung zu opfern. Im finanziell überschaubaren Rahmen – Ursula Mueller nennt Quadratmeterkosten zwischen 2300 und 2800 Euro – können sie sich in das Sanierungsobjekt einkaufen. In Ilbesheim wurden in kurzer Zeit für etwa 40 Prozent der Flächen Vorverträge abgeschlossen, in Dammheim sind es rund 65 Prozent. Interessant ist die Initiative auch für die Gemeinden. Man lege großen Wert darauf, sagt Susanne Schultz, das Umfeld einzubeziehen. Das fängt mit den gegenwärtigen Besitzern an. Gefragt und informiert werden auch Nachbarn, die Dorfbewohner, die in einer Versammlung beteiligt werden, – und natürlich der Gemeinderat. Für Ilbesheim haben die Projektentwickler verschiedene Nutzungsvarianten entwickelt. Welche davon realisiert wird, hängt von den Interessenten ab. Vorstellbar wäre, das alte Gehöft zu Chambres d’hotes auszubauen. Die französische Bezeichnung steht für ländliche Ferienunterkünfte mit individuellen Gästezimmern und Räumen zur gemeinschaftlichen Nutzung. Eine Art Sommerfrische-Idyll, wie es beispielsweise in Frankreich oder der Schweiz weit verbreitet ist. Die zweite Variante ist ein klassisches Hotel mit Zimmern, Suiten, Restaurant, Bar, Wellnesseinrichtungen und Weinkeller. Schließlich wäre auch ein Wohnkonzept mit neun bis zwölf Einheiten denkbar, darunter originelle Scheunenlofts. Bei der Sanierung, die das Architekturbüro Jens Huck, Klingenmünster, übernehmen soll, könne die Struktur des alten Hofs weitgehend erhalten bleiben, versichern Schultz und Mueller. Vermutlich müssen nur die Stallungen und Teile der Scheune abgerissen werden. „Wir haben zwar einen riesigen Sanierungsstau, aber das Haus ist nicht verschandelt.“ Durch behutsamen Umgang mit dem alten Bestand wollen sie „die alte Seele des Hauses wiederbeleben“.

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