Kreis Südliche Weinstraße Bewegende Fluchtgeschichten

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„Bleibt demokratisch aktiv“, forderte der Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler (SPD) die Oberstufenschüler des Evangelischen Trifels-Gymnasiums Annweiler am Buß- und Bettag auf. Die Demokratie sei am Ende, wenn man sich gleichgültig verhalte, anstatt sich einzubringen. Ihren alljährlichen Ethiktag stellte die Schule diesmal unter das Thema „Flucht und Flüchtlinge“.

Neben Hitschler stellte sich Thomas Gebhart (CDU), ebenfalls Mitglied des Bundestags, den Fragen der Schüler – ebenso Reinhard Schott, Beauftragter für die Arbeit mit Flüchtlingen bei der Evangelischen Kirche der Pfalz, David Offenwanger von Arrival Aid in München und die Koordinatorin der Initiative Flüchtlinge in Annweiler, Uschi Weiß. Veranstaltet wird der Ethiktag in Kooperation mit der Evangelischen Akademie der Pfalz. Deren Beauftragter, Jan Hendrik Quandt, erinnerte die Schüler daran, dass 2014 weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht gewesen seien. Davon hätten 200.000 Deutschland erreicht. 2015 erwarte man etwa 800.000 Flüchtlinge. Aber 86 Prozent aller Flüchtlinge landeten in den wenig entwickelten Ländern. Den in der Aula versammelten Schülern bot Schulleiter Steffen Jung fünf Workshops an. Darin konnten sie sich mit jeweils einem der Gäste über die gegenwärtige Situation der Flüchtlingsproblematik in Deutschland und Rheinland-Pfalz kundig machen, Wesentliches über die Aus- und Fortbildung von ehrenamtlichen Helfern in Flüchtlingsfragen erfahren und auch über Ergebnisse aus der Praxis der Flüchtlingshilfe in Annweiler informieren. Als lebendiger Bezug zur Realität erwiesen sich drei in Begleitung von Uschi Weiß gekommene Flüchtlinge: zwei aus Syrien, einer aus Afghanistan. Alle drei waren kaum älter als die Schüler selbst, konnten sich gewandt in Englisch ausdrücken und versuchten auch, sich in Deutsch verständlich zu machen. Sie berichteten, wie ihnen durch die grauenvollen Kriegszustände in ihren Heimatländern jegliche Perspektive genommen worden sei. Warum sie ausgerechnet in Deutschland Zuflucht gesucht hätten, wollten die Schüler wissen. Bewegt antwortete die junge Syrerin, hier habe sie das gefunden, was ihr verwehrt worden sei, Unterkunft, Leistungen und die Möglichkeit, sich integrieren zu können. Ihr junger Landsmann schilderte, wie er die Strecke von Syrien nach Deutschland allein und zu Fuß auf sich genommen habe. In Ungarn habe man ihn geschlagen und eingesperrt, da er sich geweigert habe, sich durch Fingerabdruck registrieren zu lassen. In Annweiler habe er schließlich Freunde beim Volleyballspiel im Gymnasium gefunden und bringe sich auch im Jugendhaus Lemon ein. Eher enttäuscht äußerte sich der junge Mann aus Afghanistan. Seine Hoffnungen, Deutsch lernen und studieren zu können, hätten sich wohl zerschlagen, weil sein Land als angeblich sicher eingestuft worden sei. „Es kann doch nicht sein, jemandem zu verwehren, eine Sprache zu lernen“, rief spontan eine Schülerin. Uschi Weiß verwies hierzu auf die Integrationskurse, die für noch nicht anerkannte Asylbewerber bestünden. Thomas Hitschler begegnete Fragen zur möglichen Aufhebung des Schengener Abkommens, zu Fragen der Menschenrechte in der Türkei, über ein Verbot von Hetzpropaganda. „Mischt euch ein!“ rief er. „Überlasst nicht die Demokratie denen, die sie bekämpfen und wartet nicht erst auf den Staat!“ Es gelte, die Flüchtlinge einzubinden, besonders in die Industrie, die jährlich 50.000 neue Arbeitsplätze brauche. Auch die Familien sollten nachgeholt werden dürfen, denn sie verhinderten mögliches Abgleiten in Kriminalität. Zur gleichen Zeit waren die neunten und zehnten Klassen des TGA mit Studiendirektor Walter Herzog als „Klimapilger“ unterwegs, um in Hinblick auf den UN-Klimakonferenz in Paris ein Zeichen gegen die schleppende Umsetzung der Klimaziele zu setzen. (ppo)

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