Kreis Südliche Weinstraße Über Nächstenliebe und Bauchschmerzen

„Flucht und Integration“ war das Thema bei der Kreismitgliederversammlung von Bündnis 90/Die Grünen, auf das sich der Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner im Haus der Familie in Bad Bergzabern im wahrsten Sinne des Wortes eingesungen hat. Mit dem Chor „Come together“, bestehend aus nunmehr 40 Bürgern und Flüchtlingen, darunter viele Kinder, sang er „Jingle bells“, auch auf Persisch und Arabisch.

Im Wesentlichen beschränkte sich die Podiumsdiskussion der Kreisgrünen auf das Thema Integration, deren Förderer und Gegner. Dekan Dietmar Zoller und die Leiterin des Hauses der Familie, Helga Schreieck, erläuterten den gut zwanzig Mitgliedern – im gesamten Kreis Südliche Weinstraße sind es 80 – die vielen Angebote des Hauses der Familie unter dem Motto „Nächstenliebe, damit keiner durch die Maschen fällt“. „Die Bürokratie macht es den Helfern nicht leicht“, sagte Schreieck. Bauchschmerzen mache ihr der Familiennachzug. „Ich habe das Gefühl, das ist gar nicht gewollt“, sagte Schreieck an die Adresse der Politik. „Ein Elend“ sei es, so Schreieck, dabei zusehen zu müssen, wie ein syrischer Flüchtling hilflos das Schicksal seiner Frau und seiner beiden Kinder in Syrien verfolgen müsse, weil nichts voran gehe. „Ich denke, es gibt zu wenig Personal in den Botschaften und im Auswärtigen Amt“, lautete die Antwort Lindners. Wie man mit rechtspopulistischen Meinungen und der AfD umgehen solle, war die Frage des Moderators Dieter Wohlfahrt. Als Beispiel, wie öffentliche Meinung negativ befördert wird, zitierte er den Artikel aus der RHEINPFALZ „Landau braucht keine Schläger“ vom vergangenen Dienstag, in dem über die Gewalt eines Somaliers an einer schwangeren Frau am Bahnhof berichtet und die Haltung der AfD dazu zitiert wurde. Es werde viel zu viel über diese Partei, die nur rund 15 Prozent der Bevölkerung unterstützen, gesprochen, statt über das, was gut laufe, in den Vordergrund zu stellen, so Lindner. Man müsse die Herausforderung annehmen, auch im persönlichen Gespräch, und der Verrohung der Sprache entgegentreten. „Für die Landeskirche ist klar, dass die Positionen der AfD nicht in den christlichen Wertekanon passen“, gab Dietmar Zoller die Haltung der Kirche wieder. Aber auch die Politik müsse sich positionieren, zum Beispiel zum Thema sozialer Wohnungsbau. Bisher keine negativen Erfahrungen mit Verbalattacken hätten Petra Schreieck und Dörthe Bernhardt, Mitglied der Grünen im Verbandsgemeinderat Edenkoben, gemacht. „Die Pfalz ist offen“, fand Bernhardt. Anders beim Bundestagsabgeordneten Lindner: Er werde zwar selten auf der Straße attackiert, dafür seien 90 Prozent der E-Mails „ausländerfeindliches Zeug“, das überprüft werde und auch zum Teil bei der Staatsanwaltschaft lande. Auf Facebook würden Profile von Grünen eingestellt, die reine Erfindung seien. Auch zu außenpolitischen Themen äußerte sich Lindner: Nach dem Brexit und der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten werde der Wahlkampf im kommenden Jahr in Deutschland ein anderer sein als bisher. Deutschland sei im Gegensatz zum europäischen Ausland lange von Rechtspopulisten verschont geblieben. Integrationswillig zeigte sich die Syrerin Faranaz. Sie sei vor einem Jahr mit ihrem Mann und ihrem zehnjährigen Sohn nach Bad Bergzabern gekommen und habe vom Haus der Familie viel Hilfe bekommen. Ihr Rezept für Integration: Gegenseitiger Respekt, Kennenlernen der Kultur und die Regeln im Land respektieren. „Wenn ich Hilfe bekomme, habe ich auch die Pflicht, anderen zu helfen“, fand sie. Das hat sie an diesem Abend zusammen mit Faiza aus Damaskus und Ulrike aus Kapellen-Drusweiler getan – und ein Essen für die Kreisgrünen gekocht: Syrische Linsensuppe und Shole Zard, eine iranische Nachspeise. |pfn

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