Kreis Kusel Veit: I hab’s wollen wissen

Es war Günther Veits letztes Konzert unter der Überschrift „In stiller Zeit“, und es geriet am Samstagabend im Wadenauer Hof in Dennweiler-Frohnbach zu einer berührenden Veranstaltung. Es war ein beeindruckender musikalischer Abschluss eines verdienstvollen kulturellen Engagements über zwei Jahrzehnte.

Bereits eine halbe Stunde vor Konzertbeginn war im Saal kaum noch ein Platz frei, auf dem Klavier auf der Bühne ein großformatiges Foto seines großen sängerischen Vorbilds Fritz Wunderlich. Veit fühlt eine große „musikalische Seelenverwandtschaft“ mit Fritz Wunderlich, wie er das Publikum wissen ließ: „Fritz Wunderlich war ein Edelstein, ein Gigant wie es noch heute keinen gibt.“ Kusel habe das nie richtig verstanden, das habe ihn seine Erfahrung gelehrt. Denn während Menschen im In- und Ausland mit dem Namen Kusel nichts anfangen könnten, ändere sich das in dem Moment, in dem er seinen Gesprächspartnern sage, aus der Geburtsstadt Fritz Wunderlichs zu kommen, erzählte Veit den Gästen. Es sollte nicht die einzige Kritik in Richtung Kusel bleiben an diesem Abend. Das Programm reichte von besinnlich bis mitreißend, die von Veit engagierten Musikerinnen und Musiker erwiesen sich als Künstler von hohen Gnaden. Oder wie Veit sagen würde: alles musikantische Musiker. Denn der Musikant sei derjenige, der mehr als Noten spiele, er sei derjenige, der die Komposition zwischen den Noten erkenne, klärte das Gastgeber das Publikum noch über seine Philosophie, Musik zu machen, auf. „Fritz Wunderlich hat das gehabt, und ich glaube, ich hab’s auch“, sagte Veit. Es waren die Cellistin Elena Michailez-Spittler und die Harfenistin Ivana Mehlem, die als Duo Konzertant das musikalische Programm mit Kompositionen von Jules Massenet, Ludwig van Beethoven und Luigi Boccherini eröffneten und sogleich gefangen nahmen. „Die Stille hat sich auf uns übertragen, wir haben das Stück noch nie so langsam gespielt“, sagte Elena Michailez-Spittler am Ende von Massenets „Meditation aus der Oper Thais“ spürbar angetan von der Atmosphäre. Mit dem Herzen musizieren, ohne dabei zu tief in den Schmalztiegel der Gefühle abzugleiten, dieses Kunststück zelebrierte die Cellistin bei „Der Schwan“ aus Camille Saint-Saens’ „Karneval der Tiere“ und Peter Tschaikowskis „Valse sentimental op. 51 Nr.6“ – technisch makellos mit emotionalem Tiefgang, einfach nur traumhaft schön. Nicht minder herausragend ihre Partnerin Elena Mehlem an der Harfe, die mit einem wunderschön perlenden und schwebendem Solostück bezauberte. Sozusagen den Gegenpart zu diesem eher ruhigen musikalischen Teil, besorgte das Newa Quartett aus St. Petersburg. Das Quartett war an diesem Abend zwar nur dritt, brachte aber mit bekannten russischen Volksweisen, die in unseren Breiten zu regelrechten Gassenhauern geworden sind, mächtig Stimmung in den Saal. St. Petersburger Schlittenfahrt, Kalinka, das Wolgalied, das waren die Stücke, von denen sich das Publikum in den Bann ziehen ließ, mitsummte und im Rhythmus klatschte. Die drei Mann mit Akkordeon, Balalaika und Bass-Balaleika garnierten ihr eigenes Showprogramm mit zahlreichen Späßchen – das kam an. Aber da waren ja auch noch Gastgeber Günther Veit und sein Klavierbegleiter Ulrich Königstein, die ebenfalls mit gern gehörten Melodien aufwarteten. „Ich liebe Dich“ von Beethoven, „Caro mio ben“ von Giordani und „Gern hab ich die Frau’n geküsst“ von Lehár standen für gelungene Interpretationen. Veit, der auf die Anmoderation einzelner Stücke verzichtete, ließ sich im Verlaufe des Abends einen weiteren Seitenhieb auf den Landkreis nicht nehmen. „Der Landkreis hat es nicht fertiggebracht, das Konzert ,In stiller Zeit’ in sein Kulturprogramm aufzunehmen. Jetzt frage ich Sie: Ist das keine Kultur?“, stellte er die Frage in den Raum, den sogleich ein Raunen durchzog. Musikfreund Veit, zuvorderst dem klassischen Kunstlied verpflichtet sowie den Opern- und Operettenmelodien zugetan, überraschte dann doch mit einem Lied von Ludwig Hirsch. Der bereits verstorbene österreichische Liedermacher war in Deutschland Ende der 1970er- und zu Anfang der 1980er Jahre mit seinen gesellschaftskritischen und auch morbiden Texten populär geworden – beispielsweise mit „Komm, großer schwarzer Vogel“, den sich ein lebensmüder Bub herbeiwünscht, um mit ihm in den Himmel zu fliegen, oder mit „Der Herr Haslinger“, der nette alte Herr, den alle gern haben, der aber alles andere als harmlos ist und kleine Kinder umbringt. Veit wählte für seinen Abend „I hab’s wollen wissen“. Veit veränderte nichts am Original, der Text ist zugleich Botschaft: Du musst etwas machen, damit endlich etwas geschieht; mal etwas riskieren, weil alles geht, es müssen nur mehr probiern. Das war dann der Beginn des Kontrastprogramms zum eher spaßig-munteren Treiben des Balaleika-Ensembles, von dem Königstein sprach, und mit dem die letzte Phase des Konzertes eingeleitet wurde. Natürlich noch einmal Fritz Wunderlich. Aber anders als sein großes Vorbild, der seine Liederabende stets mit dem Schubertlied „An die Musik“ – der Text stammt von Schuberts Freund Franz von Schober – beendete, zog Veit dieses Lied vor und setzte den Schlussakkord mit Fritz Wunderlichs Kusellied. Es folgte frenetischer Beifall, die Gäste erhoben sich, Veit zu danken. Der wiederum bedankte sich mit einem italienischen Lied, voller Inbrunst und mit Seele gesungen, klar und durchsichtig und mit beachtlicher dynamischer Bandbreite vorgetragen. Wegen nachlassender stimmlicher Möglichkeiten müsste Veit jedenfalls nicht aufhören. Das hat er an diesem Abend bewiesen. Und er wird es auch nicht, soviel deutete er schon einmal an. Es wird weitergehen in anderer Form. Und auch dieser Abend war noch nicht zuende. Erst noch gemeinsam Dietrich Bonhoeffers Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Dann war Schluss. Die Fangemeinde war begeistert.

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