Kreis Kusel Stammtischgeschichten, Schimpftiraden, Urlaubsstreit

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„Lang gebabbelt, korz gedenkt.“ Der Titel des Programms von Gerd Kannegieser passt wie die Faust aufs Auge. Im Sportlerheim in Hinzweiler sorgte der Kabarettist mit seinen Wortspielen und minutenlangen Schimpftiraden fern dessen, was er eigentlich erzählen wollte, für Kurzweil. Leider waren nur 23 Besucher der Einladung des Sportvereins gefolgt.

Wutentbrannt stürmt Gerd Kannegieser ins Sportlerheim. In Tennissocken, Badelatschen, Bermuda-Shorts und Ananashemd gekleidet, lässt er sich nicht lange bitten. Er sei gerade von einem Jugendlichen über den Haufen gerannt worden, der nur Augen fürs Display seines Smartphones hatte – kaum dass er in Hinzweiler aus dem Taxi gestiegen war. „Die babbe do dran, renne Laterneposchde um, un merken des net.“ Zu allem Überfluss ist auch noch Kannegiesers Plastiktüte bei dem Zusammenstoß kaputtgegangen. Es ist die schnell voranschreitende technische Entwicklung, die den Kabarettisten in Rage bringt. Computer habe man früher nur als Schrankwand aus James Bond und Raumschiff Enterprise gekannt, die nur von Dr. No und Mr. Spock bedient werden konnten. Und heute „twittern und mailen sich alle die Finger blutig“. Da Schritt zu halten, ist ein Problem, das auch den 23 Zuhörern, die Kannegieser während seines zweistündigen Programms immer wieder anspricht, nicht unbekannt ist. Dauernd vom Thema abzuschweifen, ist ein Stilmittel, das der Künstler nutzt. Eigentlich will er ja nur vom Streit mit seiner Frau im Urlaub in Italien berichten – diese Info präsentiert er nach 15 Minuten in einem Nebensatz. Stattdessen taucht er, zwischenzeitlich auch mit Taucherbrille auf der Nase, ab in eine andere Welt. Eine Welt, in der er von seinem emsigen Opa erzählt – ein Mann, der immer mit dem zufrieden war, was er hatte, oder erzählt Geschichten von seinen Stammtischkollegen, die von ihrer Frau ein Sportprogramm verordnet bekommen haben, um das eine oder andere Pfündchen loszuwerden. Kannegießer bedient sich relativ einfacher Mittel, um seine Geschichten zu erzählen. So können Sätze wie „Du musst mit der Zeit gehen“ durch unterschiedliche Betonung verschieden gedeutet werden. Als er von der Liebsten seines ältesten Sohnes berichtet, spricht er nicht nur von dessen Ex, sondern von vielen Ex(chs)en. Es sind diese Sprachtricksereien, mit denen der Kabarettist seine Zuhörer immer wieder zu anhaltenden Lachsalven und Applaus animiert. Und hin und wieder schafft es der charismatische Vielredner, nach langem Babbeln, doch noch von seinen Stammtischgeschichten und Schimpftiraden wieder zum häuslichen Streit mit seiner Gattin zurückzukommen – zumindest für kurze Zeit. Dessen Ursprung sei eigentlich schon an Weihnachten gewesen, als die Urlaubsplanungen aufgenommen wurden. Jedenfalls, der letzte Wellnessurlaub sei ganz schön in die Hose gegangen. Zu essen habe es Vollkornbratlinge gegeben, und die Bar habe sich bei genauerem Hinsehen als Saftbar entpuppt. Zurück nach Italien: Dort hat es Kannegieser mit den spießigen Eltern der Freundin seines Sohnes zu tun gehabt. „Die leben knapp unterm Existenzmaximum.“ Schon deshalb sei er froh daheim zu sein. Aber beschweren will er sich dann doch nicht. Denn bei aller Meckerei und Streiterei steht am Ende die Einsicht, dass es am wichtigsten ist, ehrlich zu sein. Kannegieser wird denn auch mit großem Beifall von den – leider sehr wenigen – Zuhörern verabschiedet, die sich in irgendeiner Form mit den alltäglichen Problemen des Kabarettisten identifizieren konnten. (hlr)

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