Kreis Kusel Müheloser Stilwechsel

Gelungene Premiere für Svenja Hinzmann: Ihr neues Programm „Gegensätze ziehen sich an“ begeisterte die Gäste im gut besetzten Kammermusiksaal von Burg Lichtenburg. Ohne Notenblatt schaffte die 34-Jährige einen großartigen Spagat vom klassischen Repertoire zum Jazz.

Der klassische Gesang und der Jazz, sie füllen beide die Seele von Svenja Hinzmann. Ein Programm, das ihre beiden großen Lieben vereint, hat die Sängerin aber noch nie gesungen. Jedenfalls nicht bis zum Sonntagnachmittag. Um Fünf nach Fünf begann unterm Dach der Zehntscheune von Burg Lichtenberg die Premiere des Programms „Gegensätze ziehen sich an“: Eine Hälfte, die erste, ein Querschnitt durch die Klassikliteratur, begleitet von Volker Christ am Steinweg-Flügel. „Der Nußbaum“ und „Gretchen am Spinnrade“ von Robert Schumann, „Die Zuneigung“, „Die Nacht“ und „Allerseelen“ von Richard Strauß, „Somewhere“ aus Leonard Bernsteins West Side Story und Arien natürlich. Erst die der Almirena aus Rinaldo, dann der Walzer der Juliette aus Romeo und Julia mit seinen Koloraturen und schwindelerregenden Höhen – der erste umjubelte Höhepunkt des Konzerts. Hinzmann kam ohne Notenblatt und ohne Mikrofon aus, klar klang die Stimme durch den Kammermusiksaal, deutsche Texte gingen italienischen voran, englische folgten auf französische. Im Jazzteil kam noch das brasilianische Portugiesisch dazu. „Tom“ Jobim, einer der Väter des Bossanova, gehört zu Hinzmanns Lieblingskomponisten. Auch die Moderation übernahm Hinzmann selbst. Dieser stete Wechsel zwischen der Konzentration aufs Publikum und der auf die Kunst sei sehr anstrengend gewesen, räumte sie nach dem Konzert ein bisschen außer Atem und gleichzeitig „sehr, sehr froh“ ein. Der Jazz, der zweite Block des Konzerts nach der Pause mit Sekt und Saft: Elemente zwischen Einsamkeit und Lebensfreude; Jobim, Monk, Brubeck. Hinzmann, nun Erste unter Gleichen im Quartett „Odd One Out“ und mit Mikrofon, mischte seltener Gehörtes mit Gassenhauern des Genres. Das rote Kleid und die schwarzen Schuhe blieben, doch die klassische Sängerin in ihnen war verschwunden. Ein Hauch von Nachtclubatmosphäre zog durchs Gemäuer, halsbrecherisch schnell kamen die Texte und gleich drauf die leisen Töne. Zum Instrumentalstück „Time remembered“ hat Hinzmann einen Text geschrieben. Den sang sie nicht, sie lebte ihn, verloren in der Erinnerung – eine Stimme, ein Piano und Gänsehaut beim Zuhörer. Keine Spur davon, dass das Quartett nur eine gemeinsame Probe vorzuweisen hatte. Aus der Stammbesetzung war nur Pianist Martin Preiser dabei, Bass und Schlagzeug wurden kurzfristig von Matthias Kiefer und Dominik Lauer übernommen, und das grandios geradezu nach nur zwei Stunden gemeinsamer Vorbereitung.Hinzmann wäre nicht Hinzmann, hätte sie nicht solange gesucht, bis sie auch das eine Lied gefunden hatte, das als Klammer fürs Repertoire der sich anziehenden Gegensätze taugt: „The Girl of 14 G“ von Kristin Genoweth erzählt die Geschichte einer grauen Maus, die in New York ihr Traumappartment gefunden hat. Wären da nicht die Opernsängerin und der Jazzfreak, die in 13 und 15 G ihrer Leidenschaft frönen. „So ähnlich ist das bei mir auch. Nur dass sich der Gesang komplett in meiner Wohnung abspielt“, moderierte Hinzmann, bevor sie ansetzte, scheinbar mühelos ihre stimmliche Bandbreite von der „Königin der Nacht“ bis zum Scat auszuspielen. Prompt keimte der Gedanke, dass es für Gesangsliebhaber so schlecht nicht sein kann, in Hinzmanns Nachbarschaft zu wohnen.

x