Kreis Kusel Entführung ins Außergewöhnliche

„Diese Perfektion, die Ausdruckskraft, aber auch die Auswahl der Werke, das war phantastisch“, freute sich eine Besucherin nach dem Konzert Jochen Steuerwalds am Sonntagabend in der protestantischen Stadtkirche in Kusel. Der Landeskirchenmusikdirektor aus Speyer entführte die fast 100 Zuhörer in der Stadtkirche zunächst mit Johann Sebastian Bachs (1685-1750) Passacaglia c-Moll BWV 582 in die Welt des geistlichen Barock.

Kunstvolle Variationen über einer durchlaufenden Bassfigur prägen dieses Werk mit seinem filigranen mehrstimmigen Klanggewebe, dessen Nuancenreichtum Steuerwalds differenziertes Spiel ausdrucksvoll zur Geltung brachte. Doch auch liedhaft-einfache Formen interpretierte Steuerwald mit tiefem Gefühl und technischer Meisterschaft bei den Variationen D-Dur (1844) von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847). Tiefe Innigkeit zeichnet das ergreifende Thema aus, das Steuerwald in form- und klangschöner Phrasierung gestaltete, voller Gespür für frühromantische Klangfarben, die sich in seinem Spiel in einer breitgefächerten Palette wie unter dem Einfluss eines Lichtstrahls entfalteten. Auch die charakteristische Eigenart der jeweiligen Variation hob Steuerwald durch reflektierte und besonders gefühlvolle Gestaltung hervor. Hochromantische Klangfarben breitete Steuerwald in seiner Interpretation der Fugen Nr. I und II aus „Sechs Fugen über den Namen B A C H“ opus 60 von Robert Schumann (1810-1856) aus: Dräuende, düster überhauchte Themen steigern sich mit packender Eindringlichkeit und machtvoller Zuversicht; schnelle, hohe, figurierende Umspielungen flankieren das Hauptthema; Steuerwalds mitreißende Dramatik und differenzierte Artikulation zeichneten die Entwicklung der Fuge nach. Für ihre Epoche ungewohnt klangfarbenreich ist auch Bachs „Pièce d′orgue“ G-Dur BWV 572: Flirrende helle Umspielungen, die um sich zu kreisen scheinen, gehen nahezu unmerklich über in eine Melodie mit schnellen Läufen, die das Bild umtriebiger Bewegungen suggerieren. Eine breite, tiefe Klanglage erdet das Thema, bevor es in greisenhaftem Trippeln zur Ruhe kommt. Auch der Romantiker Johannes Brahms (1833-1897) beschäftigte sich sehr viel mit alter Musik und betreute auch Ausgaben editorisch. Das Choralvorspiel „O Gott, du frommer Gott“ Nr. 7 aus „Elf Choralvorspielen für Orgel“ verbindet ornamentale hochromantische Klangfarben mit tiefem Gefühl und ausdifferenzierter Harmonik – Anforderungen, die Jochen Steuerwald an der Oberlinger-Orgel der Stadtkirche souverän mit subtilsten Schattierungen meisterte. Mit der Sonate Nr. 6 d-Moll aus „Sechs Sonaten opus 65“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy nach Martin Luthers Choral „Vater unser im Himmelreich“ ließ Jochen Steuerwald ein außergewöhnliches Konzert ausklingen, das die Zuhörer aus dem Alltag entführte und ihnen einen Freiraum zu Besinnung und Nachdenken schuf: In schönen, satten Klängen betonte Steuerwald das bewusst einfach gehaltene Choralthema. Ausdifferenzierte romantische Klangfarben charakterisierten die Variationen des ersten Satzes, der in eine Toccata mündet. Virtuos gestaltete Steuerwald die Fuge, die zu einem innig-einfachen und gerade deshalb so berührenden Andante hinfließt. Mit einem langanhaltenden Applaus bedankten sich die Zuhörer bei Jochen Steuerwald für ein ungewöhnliches, zutiefst ergreifendes Konzerterlebnis. Auch der Organist weiß den Klangreichtum der Oberlinger-Orgel zu schätzen, die diese Klangvielfalt erst ermöglicht: „Der Neubau der Orgel Mitte der 1990er Jahre hat sich am historischen Gehäuse orientiert. Die Orgel hat eine klare Handschrift mit vielen Charakterstimmen, und damit eignet sie sich ganz besonders für Werke des späten Barock und der deutschen Romantik, wie ich sie heute gespielt habe.“

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