Kreis Kusel Die Frage bleibt: Was kann das Wort bewirken?

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Das Pfalztheater bringt eine neue Produktion heraus: Die Oper „Neda“ des iranischen Komponisten Nader Mashayekhi, die 2010 am Theater Osnabrück uraufgeführt wurde. Das Werk stellt den persischen Dichter Nizami in den Mittelpunkt und thematisiert die Rolle der Frau in der Gesellschaft – in der islamischen Welt ein aktuelles, aber auch brisantes Thema. RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Konstanze Führlbeck hat sich mit dem Produktionsteam – Chefdramaturg Andreas Bronkalla, Ausstatter Thomas Dörfler und Dirigent Rodrigo Tomillo – unterhalten.

Herr Bronkalla, warum hat sich das Pfalztheater dazu entschieden, „Neda“ aufzuführen – immerhin ist es erst die zweite Produktion des Werkes überhaupt.

Bronkalla: Diese Oper passt gut zu unserem Spielzeitmotto „Fremde Welt – vertraute Heimat“. Wir wollten einen Komponisten vorstellen, der nicht aus Europa mit seiner klassischen Operntradition kommt. Und ich bin auf dieses Werk bei seiner Uraufführung in Osnabrück 2010 aufmerksam geworden. Sie operiert mit einem Blick in die persische Tradition – inhaltlich wie musikalisch – und hat eine interessante politische Fragestellung sowie ein praktikables Format für das Pfalztheater. Leider haben wir Probleme, mit dem zurzeit wieder in Teheran lebenden Komponisten in Kontakt zu treten. Er hat in Wien studiert und versucht in seiner Musik eine Brücke zurück in seine Heimat zu schlagen. Wie äußert sich das in der Oper? Bronkalla: Einleitungen, Übergänge, Zwischenspiele sind in ihrer Klangwelt persisch beeinflusst. In Harmonie, Melodieführung, Rhythmik versucht Mashayekhi da musikalisch eine Atmosphäre und einen Duktus heraufzubeschwören, der an seine Heimat erinnert. Da, wo die Oper erzählt wird, bedient er sich der Form Oper; das Libretto ist zum Beispiel in deutscher Sprache verfasst. Die Kontrastierung passiert durch die Erinnerung des Dichters Nizami. Die Tonsprache ist nicht streng tonal, aber frei in der Narrativik. Tomillo: Mashayekhi hat ein paar Momente, wo man ganz deutlich persische Musik erkennt, zum Beispiel am Anfang. Da läuft eine Ney – ein persisches Instrument, unserer Oboe vergleichbar – auf einem Pedalton immer auf dem Ton d; das findet sich auch am Anfang des zweiten Aktes im Chor, da mischt Mashayekhi nicht seine zweite Wiener Schule rein, da ist er sehr puristisch. Was ist typisch persisch in der Musik? Tomillo: Zum Beispiel die Verwendung des Instrumentes Ney. Und die Intervalle. Da finden sich übermäßige Intervalle, zum Beispiel Quinten, kleine und große Terzen. Harmonisch ist „Neda“ eigentlich sehr einfach, oft tonal, aber es gibt halt diese melodisch übermäßigen Intervalle, die diese Musik ganz besonders machen. Gibt es so etwas wie Leitmotive oder Leitthemen in dieser Musik? Tomillo: Nein, Leitmotive gibt es nicht, und was Mashayekhi mit Gesang erzählen möchte, ist gut begleitet im Orchester, das Orchester erzählt da nie eine andere Geschichte. Aber für jede Rolle gibt es eine eigene Art zu schreiben, Mashayekhi möchte die Persönlichkeit jeder Rolle auch über die Musik beschreiben. Die Sklavin Apak hat zum Beispiel nur lyrische Momente, andere Frauengestalten wie Turandot oder Nushabe arbeiten sehr viel mehr mit Text. Wie kriegt man eine Einheit aus so unterschiedlichen Elementen wie zweite Wiener Schule und persischen Einflüssen hin? Tomillo: Da ist nichts beliebig, und es ist eine homogene Musik mit einem ganz eigenständigen Stil. Mashayekhi ist ein Klangerfinder. Er ist sehr sparsam, was explosive Momente angeht, und sehr raffiniert, wenn er neue Klänge bauen möchte. Im Orchester finden sich oft lange Töne von Holz- und Blechbläsern, die an- und abschwellen – das ist ganz typisch für persische Musik und die Musik scheint so zu atmen. Die Handlung – wenn man von einer Handlung sprechen kann und nicht nur von einer losen Reihung von Episoden, von „slices of life“ – dreht sich um eine historische Figur, den Dichter Nizami. Wie schafft man daraus eine Einheit, damit man ein so erzählerisch angelegtes Werk auf die Bühne bringen kann? Dörfler: Wir haben ein flexibles Stahlgerüst als Einheitsbühne, eine moderne Fassade mit einem Pult und einem nachempfundenen Hörsaal, wo Nizami als Professor unterrichtet und diese Geschichten um die Frauen in seinem Leben vorträgt. Auch das Orchester ist auf der Bühne. Wir wollen kein Kaleidoskop, keine Minigeschichten. Wir haben ihn zu einer gelehrten Person unserer Zeit gemacht, damit wir nicht etwa nicht belegbare Behauptungen über die historische Figur aufstellen müssen. Wir haben aber Originalzitate von Nizami eingeblendet, so haben wir einen gemeinsamen Rahmen. Bronkalla: Das Thema der Oper ist eine Dichterfigur. Es ist eine Geschichte in der Geschichte, seine literarischen Figuren werden lebendig, umgeben ihn, sind Teil der Handlung. Die Imagination über die Geschichten des Nizami ist assoziativ, das können wir auch mit unseren eigenen Assoziationen füllen, wir drehen bei solchen perspektivischen Brechungen ja auch das Bühnenbild um. Momente einer äußeren Handlung gibt es aber auch. Als Nizami und seine Sklavin Apak kein rollentypisches Verhalten zeigen, sie ihn sogar nachts bei seinen Dichtungen berät, statt ihm einfach nur sexuell zu Diensten zu sein, brechen sie mit einer Tradition, und das wird geahndet. Nizami kann ihre Ermordung nicht verhindern, bei aller Macht des Wortes scheitert er also in der realen Welt. Die Machtlosigkeit des Künstlers wird hier angesprochen, was kann er in der realen Welt bewirken? Ist dieses Thema für Mashayekhi wichtig? Bronkalla: Unbedingt. Diese Oper war auch ein Reflex auf den „Arabischen Frühling“ mit seiner Hoffnung auf Freiheit und Demokratie in der arabischen Welt. Stattdessen kamen aber Anarchie und restriktiver Fundamentalismus an die Macht. Der Blick auf diese historisch-politisch aktuelle Situation, auf bestimmte Kultur- und Religionsphänomene ist ein Grundthema der Oper. Dörfler: Als Mashayekhi an der Komposition arbeitete, sah er im Fernsehen die Bilder der Studentenproteste im Iran, bei denen die junge Iranerin Neda erschossen wurde. Neda ist nicht nur ein Frauenname, sondern bedeutet auch „der Ruf“. Macht der Charakter Nizami in der Oper eine Wandlung, eine Veränderung durch, oder wirft man nur Schlaglichter auf ihn? Bronkalla: Er kommt nicht gegen die Realität an. Aber was macht das innerlich mit ihm? Seinen Figuren gibt er das literarische Leben. Aber es bleibt eine offene Frage. Für ihn gibt es keine positive Entwicklung zu einer Befreiung, einer Sprengwirkung. Dörfler: Er gibt aber nicht nach, er resigniert nicht. Da ist der Glaube, dass man weitermachen und schreiben muss. Bronkalla: Es bleibt die Frage – was kann das Wort bewirken? Info Premiere am Sonntag, 19.30 Uhr, Karten im Vorverkauf (0631 3675-209 und www.pfalztheater.de) und Abendkasse. |Interview: knf/Fotos: Pfalztheater/frei

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