Kusel Ex-Lebenshilfe-Mitarbeiterin in 696 Fälle der Untreue angeklagt

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Die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern hat Anklage gegen eine frühere Mitarbeiterin der Lebenshilfe erhoben. Angeklagt sind 696 Fälle von gewerbsmäßiger Untreue mit einer Gesamtschadenssumme von 330.000 Euro. Geschädigte sollen sowohl die Wohnheimbewohner als auch die Lebenshilfe sein. Das hat Leitender Oberstaatsanwalt Udo Gehring gestern auf RHEINPFALZ-Anfrage mitgeteilt.

Laut Gehring ist die Hauptverhandlung für den 22. September angesetzt. Wegen der Schwere der Vorwürfe wird die Anklage vor dem Schöffengericht in Kaiserslautern verhandelt. Für gewerbsmäßige Untreue sieht das Gesetz eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahre vor. Die Lebenshilfe war aufgrund von Mitarbeiterhinweisen im Spätsommer 2013 auf Unregelmäßigkeiten im Wohnhausbetrieb gestoßen (wir berichteten am 1. Oktober 2013) und hatten die Verantwortliche umgehend entlassen. Seither hatten zunächst die Lebenshilfe, später auch die Ermittler von Staatsanwaltschaft und Polizei die Vorgänge untersucht. Allerdings ließen sich die Unregelmäßigkeiten – bis jetzt – nur bis ins Jahr 2008 zurückverfolgen, weshalb auch nur Fälle aus den fünf Jahren bis 2013 angeklagt sind. Herausgekommen ist der Vorwurf, dass die Frau über Jahre hinweg vor allem die Bewohner von Wohnheim und Außengruppen finanziell geschädigt haben soll – und zwar auf verschiedenen Wegen. Den Bewohnern steht ein monatliches Taschengeld von rund 100 Euro für ihre persönlichen Bedürfnisse zu. Rund 270.000 Euro Schaden sollen den Bewohnern entstanden sein, weil ihr Taschengeld teilweise anderweitig verwendet und ihnen nicht zu Gute gekommen sein soll. Des Weiteren ist vorgeschrieben, dass Taschengeld, das die Bewohner nicht ausgegeben haben, von den Betreuern auf ein Treuhandkonto zurückgebucht wird – quasi als kleiner Sparstrumpf für irgendwann anstehende größere Anschaffungen wie beispielsweise ein neuer Fernseher. Von diesem Treuhandkonto der Bewohner soll es über die Jahre Abbuchungen von rund 60.000 Euro gegeben habe, für die es keine Nachweise über die Verwendung gibt. Betroffen sind laut Lebenshilfe-Geschäftsführer Benedikt Quack insgesamt 45 Bewohner. Und schließlich soll es laut Quack noch weitere Unregelmäßigkeiten gegeben haben, die aber offenbar im Vergleich mit der Schwere der anderen Vorgänge als so geringfügig eingeschätzt wurden, dass sie erst gar nicht mitangeklagt sind. Die Frau soll, so erläutert Quack, bei Lebensmitteleinkäufen oder Lieferungen für Außenwohngruppen – hier stand den Gruppen ein eigenes Budget zum Wirtschaften zu – einerseits das Geld in bar von den Gruppen eingefordert haben, zugleich aber die Rechnungen per Überweisung vom Lebenshilfekonto beglichen haben. Der Verbleib des Bargelds aus den Gruppen sei ungeklärt, sagt Quack. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte die Lebenshilfe stichprobenartig geprüft, ob die Vorwürfe zurecht erhoben worden sind. Als sich die Hinweise verdichteten, entließ sie die Frau fristlos, weitete ihre Überprüfungen aus und schaltete die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue ein. Inzwischen hat der Aufsichtsrat laut Quack auch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit den Ermittlungen beauftragt, um von neutraler Stelle Zahlen über die Schadenshöhe zu erhalten. Auch wenn die Staatsanwaltschaft inzwischen Anklage erhoben hat und den Schaden auf insgesamt 330.000 Euro beziffert, gehen laut Quack die internen Ermittlungen weiter. Zudem sei ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden, um sowohl die Ansprüche der Lebenshilfe als auch die der Bewohner gegenüber der Angeklagten zu vertreten. Am Donnerstag seien zudem die gesetzlichen Betreuer der Heimbewohner über die Situation informiert worden. Die Lebenshilfe habe ihnen versichert, dass sie alles tue, was in ihrer Macht stehe, damit den Bewohnern der Schaden ersetzt werde. Auch sei unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe die Organisation umgestellt und das Vier-Augen-Prinzip eingeführt worden, damit sich solche Vorkommnisse wie in der Vergangenheit nicht wiederholen können. Laut Leitendem Oberstaatsanwalt Gehring räumt die Angeklagte „den Vorwurf so nicht ein“. (wop)

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