Kreis Kaiserslautern Solche und solche, hier wie dort

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Wenn es um Flüchtlinge geht, dann kocht die Gerüchteküche schnell hoch. Jeder im Ort hat etwas gehört und weiß was. Der Wahrheitsgehalt ist oft nicht leicht zu prüfen, da sich offizielle Stellen gern zurückhalten. So kursieren um den Bahnhof Hochspeyer und deren Bewohner, Flüchtlingsfamilien, etliche Gerüchte von Schwarzarbeit bis Ladendiebstahl. Die genauere Betrachtung zeigt ein Bild, das weder schwarz noch weiß ist und einiges erklärt.

Jeden Morgen gegen halb sieben fahren drei, vier Autos mit polnischem Kennzeichen vor dem Hochspeyerer Bahnhof ab. In dem vor ein paar Jahren renovierten Gebäude wohnen ja Flüchtlinge. Aber die dürfen doch gar nicht arbeiten ... Was ist dran an dieser Vermutung eines Bahnfahrers, der sich täglich über das Gesehene wundert und sich seinen Reim darauf macht? Gar nichts. Richtig ist, dass in dem Haus Flüchtlinge untergebracht sind. Nachdem die Versteigerung der maroden Bahn-Immobilie vor Jahren gescheitert war, kaufte eine Privatfrau das Gebäude, renovierte es und vermietete es an die Verbandsgemeinde, die es nun für Flüchtlinge nutzt. Zwei Familien, eine sechsköpfige mazedonische und eine weiter verzweigte zehnköpfige serbische Familie, bewohnen je eine Wohnung im Erdgeschoss. „Und in den Etagen darüber wohnen Monteure“, klärt die Hausbesitzerin auf, „polnische Monteure, die bei deutschen Firmen wie Opel fest angestellt sind.“ Und sie schiebt hinterher: „Mit den Flüchtlingen haben die gar nichts zu tun!“ Doch nicht nur dieses Gerücht haftet den Asylbewerbern – deren Anträge laut VG noch laufen – an. Auch Ortsbürgermeister Hans-Norbert Anspach kennt die Geschichten über Diebstähle, bestätigt er. Hausverbote sollen auch schon verhängt sein. Allerdings äußern sich die offiziellen Stellen von Marktketten zu Ladendiebstählen nicht, wie Erfahrungen zeigen. Vor Ort beim Personal ist mehr zu erfahren. Jetzt sei es ruhig, heißt es in einem Geschäft, aber im letzten Sommer, Herbst habe es schon Diebstähle gegeben; auch die Polizei sei gerufen worden. Kinder, die Schokolade mitnehmen, oder auch Mütter seien erwischt worden. „Das ist wohl in deren Land anders ...“, lautet die Erklärung und Vermutung dazu, doch hier müssten die Flüchtlinge unsere Regeln einhalten. So stünden jetzt schon mal Kinder vor der Tür, die nicht mehr reindürften, und guckten, ob neues Personal im Laden sei. In einem anderen Markt im Ort hätten Diebstähle schon zugenommen, aber es gebe halt „solche und solche“. Klar ist die Aussage aus einem weiteren Markt: Nein, dass die Flüchtlinge klauen, stimme nicht! Deutsche hingegen schon. Es gebe überall Gute und Böse. „Das passt jetzt halt so gut.“ Wenn die Familien vom Bahnhof mit den Kindern kommen, sei es lediglich etwas lebhafter und lauter. Die Polizei stimmt mit letzter Aussage überein. Dem Bezirksbeamten Stefan Georg, der tagsüber bis 16 oder 18 Uhr in Hochspeyer ist, „ist nichts bekannt“. Auch die Pressestelle im Lauterer Präsidium findet auf Nachfrage nichts. Georg kann nicht von schlechten Erfahrungen mit Flüchtlingen reden; da werde oft viel erzählt, aber sobald man nachfrage, sei nichts dahinter. Nur einmal sei ein Polizeieinsatz bei den Flüchtlingswohnungen nötig geworden, wie auch die Hausbesitzerin erzählt: „Da war ein völlig Betrunkener hier im Vorraum der Wohnung, ein Deutscher.“ Als Hinzugerufene habe sie dann die Polizei alarmieren müssen, um den Mann aus dem Haus zu schaffen. So könne sich die Hausbesitzerin, die mehrmals pro Woche in Hochspeyer sei, über die Mieter dort nicht beschweren, sagt sie. Immerhin habe sie schon ganz andere Erfahrungen gemacht. „Deutsche Mieter haben mal einen Schaden von 25.000 Euro in einer meiner Wohnungen angerichtet – auf dem bin ich sitzengeblieben.“ Doch sie hält auch nicht mit schlechten Erfahrungen mit Flüchtlingen hinterm Berg: „In Wolfstein habe ich eine WG mit syrischen Männern, die machen nur Probleme. Die haben die ganze Küche zerlegt! Das ist das Gegenteil von Hochspeyer!“ Und tatsächlich sieht es in den beiden Wohnungen sehr ordentlich und aufgeräumt auf, die mazedonischen Kinder antworten brav auf Fragen. Schwieriger ist dies bei den Eltern: Die vom „Arbeitskreis Asyl“ angebotenen Deutschkurse haben sie, im Gegensatz zu ihren Nachbarn, nicht angenommen. Auf Nachfrage wird zwar Interesse gezeigt, auch an einem vom Ortsbürgermeister angebotenen Ein-Euro-Job, doch nach knapp einer Woche hat sich davon nichts in der Praxis gezeigt. „Das ist schade“, sagt Gabriele Marwede vom AK Asyl, „aber mehr als anbieten können wir nicht. Generell hat Bildung in der Familie offenbar keine hohe Wertigkeit.“ Den jüngsten Sohn zur Schule anzumelden, sei auch nicht so einfach gewesen. Die Hausbesitzerin bestätigt eine Vermutung, was die Eltern vom Deutschkurs abhalten könnte: Der Vater zumindest könne nicht lesen. Andere Probleme hat Ortsbürgermeister Anspach im Schwimmbad beobachtet: „Da haben sich Flüchtlingskinder unter der Kasse hindurchgemogelt“, habe er selbst gesehen. Nachdem schärfer kontrolliert worden sei, habe sich dies erledigt. Dass vor dem exponierten Haus mal Gerümpel stehe, habe wohl auch schon Leute gestört. „Bürger spenden ihre ausrangierten Möbel den Flüchtlingen“, erklärt die Hausbesitzerin das Phänomen. „Die wissen nicht, dass die Bewohner von mir alles bekommen. Und dann stellen die die Sachen, die sie nicht in der Wohnung brauchen, vor die Tür, weil sie nicht wissen, wohin damit.“

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