Kreis Kaiserslautern Die Kultur von innen kennenlernen

Andrea Ysturiz Madina stammt aus Venezuela, lebt ein Jahr in Weilerbach und fliegt Anfang Juli in die neue Heimat nach Teneriffa, Spanien. Was die junge Frau bewegt und wie ihre Gastfamilie zur Gasttochter kam, erzählen sie im Gespräch mit der RHEINPFALZ.

Andrea muss lachen, wenn sie davon spricht, dass sie vor einem Jahr nicht ein Wort Deutsch konnte und sich ihr Wissen über deutsche Kultur auf Begriffe wie „Bier, Sauerkraut und Fußball“ beschränkte. Und Pünktlichkeit war da noch absolutes Fremdgebiet für sie. Alles Gründe, warum sie nach Deutschland wollte, sie wollte die Sprache lernen und „die Kultur von innen kennenlernen“, erzählt sie im besten Deutsch. Das mit der Pünktlichkeit war eher ihrer Frau Mutter wichtig, gibt Andrea zu. Sie hat sie dennoch verinnerlicht, ist täglich pünktlich an ihrer Gastschule, dem Albert-Schweitzer-Gymnasium in Kaiserslautern, erschienen und wundert sich, warum jeder Wert auf Pünktlichkeit legt, nur Busse und Bahnen sich nicht daran halten. Die bislang fremde Kultur hat Andrea in allen Facetten erlebt samt Schnee in Garmisch-Partenkirchen und ganz viel Herzlichkeit bei Familie Hörnlein. Sie war im Theater in Saarbrücken, hat Paris, Berlin und die Altstadt von Kaiserslautern gesehen, war beim Länderspiel auf dem Betzenberg und hat sich mit ihrer Gastfamilie die Allianz-Arena in München angeschaut. Ein Bonbon der Familie Hörnlein an Andrea, die zuhause in Venezuela selbst Fußball gespielt hat. Pfälzisch ist für die junge Frau, der die Sprachen eigentlich zufliegen, nicht ganz so einfach. Gut dass in ihrer Weilerbacher Familie hochdeutsch gesprochen wird. Anfangs war es zudem hilfreich, dass die 17- jährige Hanna Hörnlein, mit der sie nun schon fast ein ganzes Jahr das Zimmer teilt, Spanisch beherrscht. Diese Sprache ist überhaupt der Grund, dass Andrea und die Hörnleins zueinander fanden. Hanna war 2013/2014 ein Jahr als Austauschschülerin in Panama. Damals über die Organisation AFS Interkulturelle Begegnungen e.V. „Die hatten die größte Länderauswahl“, erinnert sich Hanna, warum die Wahl auf diese Organisation fiel. Panama war für Hanna ein Erlebnis, es war ein Jahr auf dem Weg hin zur Selbstständigkeit und sie beherrscht seitdem fließend Spanisch. „Wir waren von AFS immer gut betreut und wollten nach Hannas Rückkehr nun als Gasteltern einer ausländischen Schülerin die Möglichkeit bieten, ein Jahr bei uns zu leben“, erzählt Mutter Christine Hörnlein. Eine spanisch sprechende Gasttochter, das war der Wunsch an die Organisation AFS, und so kam eben Andrea Ysturiz Madina nach Weilerbach. „Mit dem Austausch haben wir uns ein Stück der Welt in die Westpfalz geholt“, schwärmt Christine Hörnlein. In Peter Leister, Lehrer am Albert-Schweitzer-Gymnasium, fand sich zudem ein Unterstützer. Die Schule musste zustimmen, dass Andrea mit Hanna die Schulbank drücken kann. Leister war gern mit von der Partie, und Andrea fand sich in Kaiserslautern im Schulalltag wieder. Sie ist nicht ganz so eingebunden wie ihre Mitschülerinnen, denn die Venezuelanerin, die vor einer Woche ihren 18. Geburtstag feiern konnte, hat den Schulabschluss in ihrer Heimat schon erreicht. Dafür sang sie im Chor mit oder hat schon mal in der siebten Klasse beim Deutschunterricht ihre Grammatik aufpoliert. Deutsch, Englisch und Spanisch, das kann sie nun. Portugiesisch soll auf jeden Fall noch dazu. „Ich will später als Journalistin in aller Welt arbeiten, am liebsten als Sportreporterin“, weiß sie genau, was sie will. Am 4. Juli sitzt Andrea im Flieger, verlässt ihre Familie. „Ich werde sie vermissen wie meine eigene.“ Ihr Flug geht nach Teneriffa, nicht zurück nach Venezuela. Ihre Eltern und die kleine Schwester sind in der Zwischenzeit von Venezuela nach Spanien gesiedelt. „Die politische Lage ist unüberschaubar“, nennt Andrea den Grund, sieht der neuen Heimat aber ganz entspannt entgegen und hofft schon bald zurück in Deutschland zu sein. Sie wartet noch auf Antwort aus Karlsruhe. Bekommt sie ein Stipendium, wird sie ab Herbst dort studieren.

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