Kreis Germersheim Terror-Keim in eigener Gesellschaft ersticken

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„Wie gefährlich sind die Flüchtlinge, die da kommen?“ Mit dieser Frage gestaltete Elmar Theveßen seinen Vortrag „Islamistischer Terror oder Kampf der Kulturen“ brandaktuell. Und er lieferte, gestützt auf Zahlen des Bundeskriminalamtes, die Antwort: „Kaum.“ Von allen Verdachtsfällen, nach denen IS-Kämpfer mit der Flüchtlingswelle nach Deutschland gekommen sein sollen, habe sich kein einziger bestätigt, so die BKA-Auskunft.

Theveßen ist stellvertretender Chefredakteur des ZDF und dort ausgewiesener Terrorismusexperte. Beim 31. Sparkassen-Forum in Kandel zitierte er in seinem Vortrag weitere aktuelle Erkenntnisse des BKA: „Syrer und Afghanen machen der Polizei so gut wie keine Arbeit.“ Probleme gebe es lediglich mit Zuwanderern, die schon aus kriminellen Milieus kommen. Aktenkundig seien aber weit weniger Fälle, als die mehr als 400 fremdenfeindlich motivierten Straftaten in Deutschland in diesem Jahr. Damit kommt Theveßen wieder auf seine Ausgangsfeststellung zurück. Polarisierung spielt extremen Positionen in die Hände, egal, ob islamistisch oder rechtsradikal. Es klinge zunächst unverständlich, dass jede Pegida Demonstration dem IS entgegenkomme, obwohl Islam, Islamismus, Ausländer, Terror alles in einen Hass-Topf geworfen werde. „Diese Polarisierung“, so Theveßen, polarisiere auch die andere Seite und mache damit vor allem junge Menschen für die Argumente von Salafisten und Islamisten zugänglich. Doch auch die fallen nicht als IS-Kämpfer oder Al Qaida Anhänger vom Himmel. Analysen der Täter seit dem Anschlag auf das World Trade Center in New York belegen laut Theveßen, dass junge Menschen oft erst nach Schicksalsschlägen für die Argumente der Islamisten empfänglich werden. „Diese potenziellen Terroristen sind die Verlierer und Versager unserer Gesellschaft“, so Theveßen. Auch die Anschläge auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris hätten gezeigt, dass die Täter überhaupt keine Ahnung vom Islam hatten, als gesellschaftliche und soziale Außenseiter aber von tumben Parolen für den Anschlag motiviert worden seien. Zum Schutz vor Terrorismus und Terroristen gelte es demnach, zunächst in der eigenen Gesellschaft dafür zu sorgen, dass es keine jungen Menschen ohne Perspektive gibt. Kriminalämter und andere Sicherheitseinrichtungen könnten hier nichts bewegen. Solch gesellschaftliches Engagement sei die Aufgabe aller: „Jeder muss selbst mitmachen und nicht warten, bis von oben etwas passiert.“ Letztlich widerlegte Theveßen mit Zahlen (April 2015) des Pew Research Centers (Meinungsforschungsinstitut in Washington), dass die angebliche Überfremdung durch Zuzug von Muslimen völlig aus der Luft gegriffen und pure Panikmache rechter Kräfte ist. Laut Pew gab es in der EU (inklusive Schweiz und Norwegen) 2010 bei 405 Millionen Einwohnern rund 18,2 Millionen Muslime (4,5 Prozent). Für das Jahr 2030 rechnet Pew mit 29,8 Millionen Muslimen (7,1 Prozent), im Jahr 2050 sind nach diesen Prognosen 10,2 Prozent der EU-Bürger muslimischen Glaubens. Die Zahlen für Deutschland: Aktuell sind mit 4,1 Millionen rund 5 Prozent der 81 Millionen Deutschen Muslime. 2050 werden es 6,5 Millionen bei nur noch 65 Millionen Einwohnern sein. „Und wenn sogar 2 Millionen Flüchtlinge dazu kommen“, rechnet Theveßen für sich aus, sind es 2050 rund 67 Millionen Bürger, wovon nur knapp 13 Prozent Muslime sind. Von Überfremdung keine Spur. Ebenso wenig vom Kampf der Kulturen. Mehr als 600 Gäste hörten in der bis auf den letzten Platz gefüllten Sparkassenhalle in Kandel zu. (tom)

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