Kreis Germersheim Playmobil-Männchen für drei Tage aufgesprüht

Der Spagat war gewagt. Ging es doch darum, die in der Öffentlichkeit noch immer zumindest als etwas anrüchig wahrgenommene Tätowierszene mit einem wohltätigen Zweck zu verknüpfen. Über die Akzeptanz abgestimmt wurde am Wochenende schließlich mit Füßen und Geldbeuteln: Fast 600 Neugierige besuchten an den zwei Tagen das „Charity Tattoo“ im Bürgerhaus, so dass sich die Deutsche Krebshilfe demnächst über eine Spende von rund 6500 Euro freuen darf.

Entsprechend zufrieden zeigt sich auch Veranstalter Martin Holl. Drinnen ist die Stimmung entspannt, draußen tollen Kinder in der Hüpfburg. Oder lassen sich sogenannte Airbrush-Tattoos verpassen. Nach spätestens drei Tagen ist die coole Herrlichkeit zwar vorbei, was die Begeisterung zweier Kumpels allerdings nicht im geringsten zu stören vermag. Beide heißen Nico, sie sind zehn und elf Jahre alt. Der eine lässt sich die Buchstaben L, O, V und E aufsprühen und möchte sich, wenn er alt genug dafür ist, auch richtig tätowieren lassen. Der Graffiti-Künstler Ronny aus Viernheim muss die Schablone um das halbe dünne Unterärmchen wickeln, am Ende passt es dann doch irgendwie. Beim anderen Jungen kommt ein Playmobil-Männchen an die gleiche Stelle, „das ist das einzige Motiv, das mir gefällt“, sagt er. Die bei Kindern sonst so populären Elfen, Delfine oder Batman-Schwingen reizen ihn nicht. Im Hintergrund spielt eine Band, nur mit akustischen Gitarren, gemütlich schlendern Erwachsene durch die Reihen. So gefällt es Holl. Der 35-jährige ist in Birkenheide bei Maxdorf aufgewachsen und als Unternehmer in Karlsruhe tätig. Zudem ist er der dortige Repräsentant des Deutschen Managerverbandes. Neben seinen Tätigkeiten im Software- und Büro-Immobilienbereich bietet er zudem Werbe- und Lifestyle-Artikel für Künstler oder Musiker an, hierbei auch mit starkem Bezug zur Tattoo-Szene. „Auf die Idee zu diesem Event kam ich nicht nur über meine eigenen Tattoos. Als zweifacher Vater möchte ich mich einfach auch allgemein für Kinder einsetzen und helfen.“ Im Gegensatz zu den üblichen Tattoo-Conventions wollte er den Charakter einer Veranstaltung für die ganze Familie haben. Dazu gehört, dass die Musik so dezent ist, dass man sich nicht anschreien muss. Oder auch, dass man sich hier nicht piercen lassen kann. „Das wäre nicht kindsgerecht, zumal der Körperschmuck zum Teil ja richtig extrem aussieht“, sagt er. Andererseits darf aber auch ein Info-Stand der Tierschutzorganisation „Sea Shepard“ nicht fehlen. Der Organisation geht es vor allem um den Schutz der Meere sowie den Kampf gegen Walfang und Robbenjagd, ihre Methoden gelten mitunter als sehr robust. Aber gerade im Musikbereich finden sich viele ihrer Unterstützer, darunter auch die Band „Die Ärzte“. Bei der Organisation der Veranstaltung hat Holl viele Erfahrungen sammeln können. Einerseits erlebte er viel Unterstützung, sei es vom Ordnungsamt, dem Verein „Rockgrim“ oder durch die Verantwortlichen für die Halle. Aber auch Vorbehalte gab es: „Wenn es um Geld geht, ist das Misstrauen groß. Man muss sich erst mal einen Namen machen und wir müssen das Vertrauen eben noch aufbauen“. Als sensibel gilt auch die Tätowier-Szene selbst, denn oft stehen hinter Tattoo-Conventions Rockervereine. Vorher hatte sich Holl darüber keine Gedanken gemacht, zumal es bei ihm mit diesem Umfeld „keinerlei Berührungspunkte“ gebe und er von diesem auch niemanden dabei haben wolle. Am Ende der Tage ist Holls Konzept aufgegangen. Und nicht nur das: Vor Ort und im Internet waren die Reaktionen derart positiv, dass eine Neuauflage noch in diesem Jahr folgen wird. (madr)

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