Kandel Photovoltaik-Ausbau: Erst die Dächer, dann die Äcker

Eine Fläche mit doppeltem Nutzen: Ein Landwirt fährt im Wendland unter einer Agrar-Photovoltaik-Anlage entlang.
Eine Fläche mit doppeltem Nutzen: Ein Landwirt fährt im Wendland unter einer Agrar-Photovoltaik-Anlage entlang.

Landwirte und Landrat sind sich einig: Bevor Felder mit Photovoltaikanlagen bebaut werden, sollen andere Flächen geprüft und ausgeschöpft sein.

Bei einer Diskussion der Initiative Südpfalz-Energie in Kandel sprach sich Landrat Fritz Brechtel für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Boden aus: „Es ist klar, dass wir in unserer sonnenreichen Region verstärkt Photovoltaik-Anlagen bauen sollten. Dabei sollten wir aber verstärkt innerörtliche Bereiche oder sonstige versiegelte Flächen in Betracht ziehen.“ Es dürfe nicht sein, dass geeignete Dächer und bereits versiegelte Flächen ungenutzt bleiben und „wir zeitgleich große Areale der regionalen Produktion von Nahrungsmitteln entziehen“. Bevor Ackerland für Freiflächenanlagen in Anspruch genommen wird, müssten alle Potenziale geprüft werden. Brechtel verwies auf das Landesentwicklungsprogramm, das verlangt, erst alle Möglichkeiten außerhalb landwirtschaftlicher Flächen zu prüfen.

18 Prozent sind freie Flächen

Am Photovoltaik-Ausbau führe kein Weg vorbei, um die Klimaziele zu erreichen und die Abhängigkeit im Energiesektor zu verringern, so der Landrat. Dies müsse aber in gelenkten Bahnen und unter Berücksichtigung des Flächenverbrauchs erfolgen. Brechtel erläuterte die Situation im dicht besiedelten Kreis Germersheim: 270 Einwohner leben hier pro Quadratkilometer. 66 Prozent der Gesamtfläche im Kreis sei Schutzgebiet (FFH- oder Natura-2000-Gebiet), 11 Prozent Siedlungs- und 5 Prozent Verkehrsfläche. „Gerade einmal 18 Prozent ist noch Freifläche, darunter ein großer Teil Vorrangfläche für Landwirtschaft“, so Brechtel.

Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV) unterstützt diese Position. Roland Bellaire, Vorsitzender des BWV-Kreisverbandes Germersheim, beobachtet die Entwicklung bei Freiflächen-Photovoltaik mit Sorge. Der Zubau von Fläche treffe die Betriebe gleich mehrfach: Zum einen würden sie in vielen Fällen Pachtflächen verlieren, zum anderen komme es zu Preissprüngen auf dem Bodenmarkt, was es erschwert die verlorene Fläche durch Pacht oder Kauf zu ersetzen. Verschärft werde die Situation durch den naturschutzfachlichen Ausgleich, welcher der Landwirtschaft weitere Flächen entziehe.

Solarstrom-Anlagen über Straßen

Brechtel und Bellaire sehen noch viele Möglichkeiten – nicht nur auf privaten Dächern, sondern auch auf öffentlichen Gebäuden, über Parkplätzen oder an Lärmschutzwänden. Auch Photovoltaiküberdachungen auf Straßen Verkehrswegen sollten geprüft werden. Die Kreisverwaltung hat unter anderem Photovoltaik auf Schuldächern und auf der ehemaligen Deponie in Berg installiert. Viele Landwirte würden bereits die Dächer ihrer Wirtschaftsgebäude zur Produktion von Sonnenstrom nutzen, so Bellaire. Größere Dachanlagen scheiterten aktuell häufig wegen zu langer Netzprüfungen und weil Module und Wechselrichter nicht verfügbar sind. Bei Freiflächenanlagen scheint dies aber kein Problem zu sein, beobachtet der BWV-Vorsitzende.

Sollte eine Freiflächenanlage trotzdem unausweichlich sein, sollte diese nur auf bestimmten Flächen errichtet werden dürfen, sind sich Brechtel und Bellaire einig. So genannte landwirtschaftliche Vorrangflächen sollten tabu sein. Großen Forschungsbedarf gebe es im Bereich Agri-Photovoltaik – ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Produktion und die PV-Stromerzeugung.

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