Kreis Germersheim „Kerwetanz und Raufexzesse“

Die Sondernheimer Kirchweih steht in einer langen Tradition und geht am Wochenende in eine weitere Auflage. Zu den wichtigsten und publikumsträchtigsten Veranstaltungen in der Gemeinde zählte die Kerwe dabei schon immer. Für die Sondernheimer Wirte war die Veranstaltung der Kirchweih im August ehedem ein willkommener Anlass, Musikanten zu verpflichten, die über die Festtage in den Sälen und Tanzböden der Wirtschaften zum Kerwetanz aufspielten.

Da im 19. Jahrhundert alle Tanzveranstaltungen und „Lustbarkeiten“ bei den Behörden angemeldet und genehmigt werden mussten, haben sich, dank der peniblen bürokratischen Ordnung vergangener Tage, Dokumente erhalten, welche die damaligen Gepflogenheiten belegen. So fanden beispielsweise im Jahr 1826 anlässlich der Kirchweih „Tanzbelustigungen“ in den Wirtshäusern von Eberhard Stubenrauch und Franz Adam Bügel statt. Meistens war dies Sonntag und Montag der Fall, wofür die Erlaubnis bis 24 Uhr erteilt wurde. Am Kerwedienstag war hingegen zur regulären Polizeistunde (22 Uhr) Schluss. 1850 waren es bereits vier Wirte, die die Genehmigungen gegen die Entrichtung einer Gebühr erhielten. Dabei mussten die Veranstaltungen vom Bürgermeister der Gemeinde an das königliche Landkommissariat in Germersheim gemeldet werden. Am 2. August 1823 schrieb der Sondernheimer Bürgermeister Betsch beispielsweise an die vorgesetzte Behörde in Germersheim: „Man beehrt sich, dem Königlich Bayerischen Land-Commissariate hiermit zu melden, daß das diesjährige Kirchweihefest auf den 10ten laufenden Monats und die beyden folgenden Tagen, in der Gemeinde Sondernheim gefeyert wird, und bittet daher um die gefällige Erlaubniß, die übliche Tanzbelustigungen halten zu dürfen“. Das Landkommissariat erteilte die Genehmigung bereits wenige Tage später, empfahl jedoch „während den Kirchweihtagen die strengste Polizeiaufsicht“ walten zu lassen. Dass dieser Hinweis nicht ohne Grund ausgesprochen wurde, belegen „Raufexzesse“ anlässlich der Sondernheimer Kirchweih, die im Jahr 1860 aktenkundig wurden. Hatten sich in den Zeiten vor dem Bau der Festung Germersheim nur zivile Raufbolde im Rausch verprügelt, so gesellten sich mit dem Ausbau der Garnison nun auch junge Männer aus anderen Teilen des bayerischen Königreichs, die in Germersheim als Soldaten ihren Wehrdienst ableisteten, zu den Festbesuchern, die keinem Streit aus dem Weg gingen und eine „zünftige“ Wirthausrauferei vermutlich als willkommene Abwechslung vom Dienst nach Vorschrift im Kasernenalltag empfanden. Unter dem Datum des 20. August 1860 wurde aktenkundig, dass es am Kerwesonntag in Sondernheim zu „Raufexzessen mit Verwundungen“ gekommen war. Der Festungskommandant reagierte sofort und verbot sämtlichen Mannschaftsdienstgraden der Garnison bis auf weiteres den Besuch des Ortes Sondernheim. Zusätzlich wurde die Feldgendarmerie (Militärpolizei) für den Rest der Kirchweih nach Sondernheim beordert, wo sie jeden Unteroffizier, der gegen dieses Verbot verstieß, anzeigen, und jeden einfachen Soldaten, der es wagte, sich dort zu zeigen, sofort festnehmen sollte. In den folgenden Tagen begannen die Ermittlungen gegen Soldaten der Garnison wegen „Exzesses in einem Wirthshause“, „subordinationswidrigen Benehmens“ und Beschimpfung eines Feldgendarmen. Gegen einen Soldaten wurden die Ermittlungen zunächst ausgesetzt werden, da er im Militärkrankenhaus lag. Ein disziplinarisches Nachspiel hatte die Kirchweih auch für einen Unteroffizier, der als „Sauvegarde“ (Sicherheitswache) eingesetzt war, sich aber vom Kerwetreiben mitreißen ließ und sich nunmehr selbst wegen Trunkenheit im Dienst zu verantworten hatte. (lh)

x