Wörth Daimler: Betriebsrat bestimmt seit 60 Jahren im Lkw-Werk mit

Der damals frisch gewählte Thomas Zwick (links) 2015 mit seinem Vorgänger Ulli Edelmann im Gespräch mit der RHEINPFALZ-Redaktion
Der damals frisch gewählte Thomas Zwick (links) 2015 mit seinem Vorgänger Ulli Edelmann im Gespräch mit der RHEINPFALZ-Redaktion.

Mit 100 Mitarbeitern ging Daimler in Wörth an den Start. Heute sind es 10.000. In 60 Jahren hat sich noch vieles mehr geändert: auch die Arbeitsbedingungen.

Eigentlich war alles anders geplant: Als Daimler in Wörth 1962 mit dem Bau einer Fabrik begann, sollten dort Motoren gebaut werden. Ab dem 1. Oktober 1963 wurden dann aber Fahrerhäuser gebaut – von rund 100 Mitarbeitern. Erst kurz darauf fiel in Stuttgart die Entscheidung, Wörth zum zentralen Lkw-Montagewerk auszubauen. Die Produktion kompletter Lastwagen begann am 14. Juli 1965. Ende der 70er Jahre wurden in Wörth jährlich über 100.000 Lastwagen gebaut.

Nicht nur die Fabrik entwickelte sich in ihrem ersten Jahrzehnt in großen Schritten: Die Arbeitsbedingungen veränderten sich vor dem Hintergrund eines Arbeitskräftemangels grundlegend. Die IG Metall gelang es, neben Lohnerhöhungen von bis 8 Prozent jährlich auch die wöchentliche Arbeitszeit in zwei Schritten von 42,5 auf 40 Stunden zu verkürzen – mit Lohnausgleich.

So ging es bis Anfang der 90er Jahre. Arbeitskräfte blieben knapp. „Der Personalchef warb im Elsass und in Jugoslawien Leute an“, erinnerte sich Ex-Betriebsratsvorsitzender Gerd Rheude im Gespräch mit der RHEINPFALZ anlässlich der 50-Jahr-Feier im Werk.

Blick in die Produktionshalle, schätzungsweise um 1980.
Blick in die Produktionshalle, schätzungsweise um 1980.

Dabei verdienten die Daimler-Beschäftigten in Wörth weniger als ihre Kollegen in Mannheim oder Sindelfingen. Der Grund: „Wir hatten noch die weitmaschige Rheinland-Pfälzer Arbeitsbewertung“, so Rheude. Die baden-württembergische Arbeitsbewertung war feiner unterteilt. Dort war es einfacher, höher eingestuft zu werden. Erst seit Anfang der 80er Jahre gelten im pfälzischen Lastwagenwerk die schwäbischen Regeln.

Nicht nur im ersten Jahrzehnt, auch in den vergangenen zehn Jahren haben sich die Arbeitsbedingungen weiter verändert. Neben Lohnerhöhungen blieb und bleibt die Arbeitszeit ein Thema. Ein wesentlicher Schritt erfolgte 2018, so Thomas Zwick, als Nachfolger von Ulli Edelmann Betriebsratsvorsitzender seit 2015. Schichtarbeiter haben seit dem eine Wahloption: „Geld oder freie Zeit. Das war etwas ganz Neues“, sagt Zwick. Die ist im IG-Metall-Tarifvertrag bundesweit verankert. Im Herbst kann jeder Mitarbeiter entscheiden, ob er im Juli zusätzlich 27,5 Prozent seines Monatsentgelts bekommt – oder acht freie Tage.

„Es gibt Menschen, die haben das als Chance gesehen, für andere ist eine Welt zusammen gebrochen“, schildert Zwick die Stimmungslage der Betroffenen vor allem im Bereich Logistik, als 2014/15 erstmals Arbeit im Werk an fremde Firmen vergeben wurde. Geregelt wurden die Konditionen durch eine Vereinbarung, im Gegenzug wurde in das Werk Wörth investiert. In der Zukunft spielte das Thema Fremdvergabe keine große Rolle mehr.

Gerd Rheude, Betriebsratsvorsitzender von 1978 bis 2008.
Gerd Rheude, Betriebsratsvorsitzender von 1978 bis 2008.

Das große Rad drehte der Betriebsrat dann 2019 und 2021 unter dem Stichwort „Zukunftssicherung“: Zunächst wurde ein Kündigungsschutz bis 2030 vereinbart. Zwei Jahre später gab der Konzern die Zusage, dass die Zukunftsprodukte in Wörth produziert werden. „Die Umsetzung ist in vollem Gange“, verweist Zwick auf den laufenden Transformationsprozess im Werk.

„Wir wollten das Produkt, sind aber bereit, dem Unternehmen mehr Flexibilität zu geben“, sagt Zwick. Im der Rahmen der Zukunftssicherung wurde auch eine Formel vereinbart, nach der berechnet wird, wie viele Leiharbeiter jedes Jahr als Stammarbeiter übernommen werden. „Auf diese Regelung bin ich stolz, dass wir das hingekriegt haben“, sagt Zwick. In anderen Betrieben gebe es so etwas nicht. „Auf der anderen Seite bin ich mit sehr bewusst, dass wir immer eine Anzahl Menschen haben, die prekär beschäftigt sind“, fügt er hinzu.

Die große Herausforderung derzeit sei, Diesel- und E-Lastwagen parallel in einer „alten“ Fabrik zu bauen. Diese Aufgabe findet Zwick „faszinierend“.

Vorboten der Roboter: Automatische Lieferfahrzeuge versorgen die Arbeitsgruppen in der Produktion.
Vorboten der Roboter: Automatische Lieferfahrzeuge versorgen die Arbeitsgruppen in der Produktion.
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