Deidesheim „Wir werden zu Buhmännern gemacht“

Die Stadt Deidesheim, hier das Rathaus, kommt schlecht weg beim neuen kommunalen Finanzausgleich.
Die Stadt Deidesheim, hier das Rathaus, kommt schlecht weg beim neuen kommunalen Finanzausgleich.

Interview: Was erwartet die Bürger in diesem Jahr im eigenen Ort? Das haben wir die Orts- und Stadtbürgermeister aus den Verbandsgemeinden gefragt. Heute: Manfred Dörr aus Deidesheim im Gespräch mit Kathrin Keller.

Herr Dörr, Deidesheim gehört zu den Verlierern des kommunalen Finanzausgleichs, verfügt also über weniger Geld als gedacht. Sie haben beim Neujahrsempfang von gewaltigen Herausforderungen für die Stadt gesprochen. Steht schon fest, was auf die Streichliste kommt?
Da kann ich dem Stadtrat nicht vorgreifen. Aber Sie haben ja gesehen, dass der Verbandsgemeinderat bereits Einschnitte beschlossen hat. Da wird beispielsweise die Kfz-Außenstelle geschlossen, außerdem werden Gebühren erhöht.

Woran liegt es denn, dass Deidesheim so stark belastet wird?
Durch die Änderungen des kommunalen Finanzausgleichs werden die schwächeren Kommunen entlastet, die leistungsstärkeren belastet. Das Land selbst gibt zu wenig in das System. Und es verschweigt, dass wir die Verlierer sind. Im Grunde wird verlangt, dass wir die Steuern erhöhen, ausgerechnet in einer Situation, in der die Bürger ohnehin stark belastet sind. Damit werden wir zu Buhmännern gemacht.

Könnte es sein, dass als Sparmaßnahme die Verlegung des Busbahnhofs gestrichen wird?
Es muss alles auf den Prüfstand und außerdem mit der Aufsichtsbehörde besprochen werden. Man muss das gut überdenken, denn für die Verlegung der Bushaltestelle und den damit verbundenen barrierefreien Ausbau gibt es ja Zuschüsse. Die möchten wir ungern verlieren.

Zuschüsse der Stadt für Feste wird in dieser Situation sicherlich nicht möglich sein.
Davon gehe ich aus.

Denken Sie, dass die Kerwe dennoch ohne Eintrittsregel organisiert werden kann?
Aus meiner Sicht hat sich die Regelung mit den Bändchen nicht bewährt. Ob es ohne geht, müssen wir sehen. Die Entscheidung trifft der Stadtrat.

Welches ist eigentlich Ihr Lieblingsfest?
Das eigentliche Deidesheimer Volksfest ist die Geißbockversteigerung. Das kommt bei den Einheimischen am besten an. Da sind zwei Gemeinden beteiligt und viele Ehrenamtliche im Einsatz.

Für eine Stadt, die vom Tourismus lebt, sind natürlich auch die Attraktionen wichtig, die ein großes Publikum anziehen. Wir schafft man es, zu verhindern, dass die Stadt überrannt wird?
Wir müssen immer wieder die Balance finden zwischen den Interessen der Einheimischen und den Erfordernissen des Tourismus. Und genau überlegen, wo wir hinwollen. Die Zeiten von „immer mehr, immer größer“ sind vorbei. Auch die Verkehrsbelastung ist ein großes Thema. Ein bisschen Feiern muss die Stadt aber aushalten, dafür haben wir keine Industrie mit schädlichen Immissionen. Inzwischen gibt es auch Unterstützung für eine Entwicklung in Richtung mehr Nachhaltigkeit, beispielsweise von Touristikern der Deutschen Weinstraße, die bei der Zertifizierung der Weinstraße als nachhaltiges Reiseziel einen Leitfaden für die Gestaltung von Festen und Veranstaltungen entwickelt haben.

Apropos Nachhaltigkeit. Kritiker des geplanten Baugebiets D8 sagen, das sei keine nachhaltige Entwicklung.
Wir haben 50 Jahre lang Innen- vor Außenentwicklung betrieben. In den vergangenen Jahren ist nun ein enormer Druck entstanden. Es kann nicht Sinn und Zweck der Politik sein, nur für Reiche Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen das Baugebiet nur dann, wenn die Eigentümer bereit sind, einen Teil ihrer Grundstücke abzugeben, damit wir bestimmte Ziele der Stadtentwicklung erreichen können.

Was meinen Sie damit konkret?
Vor allem bezahlbare Bauplätze für Familien, die nach einem Kriterienkatalog vergeben werden können. Ich wünsche mir darüber hinaus ein Projekt für betreutes Wohnen. Auch für neue Mobilitätskonzepte sollte in D8 Platz sein. Nur Häuser zu bauen, ist mir zu wenig. Bei der Gestaltung des Gebiets wird dann das Thema Nachhaltigkeit sicher eine große Rolle spielen.

Wie stehen die Chancen, dass das so, wie Sie es gerade beschrieben haben, umgesetzt werden kann?
Es sind sehr viele Gespräche geführt worden, und ich denke, es könnte klappen.

Herr Dörr, die nächsten Kommunalwahlen sind erst 2024. Haben Sie schon entschieden, ob Sie noch einmal antreten?
Meine Tendenz ist eindeutig. Ich werde nächstes Jahr 50 Jahre Stadtrat hinter mir haben und 20 Jahre Bürgermeisteramt. Demokratie bedeutet auch Wechsel, und ich denke, es wäre dann auch einmal Zeit für einen Wechsel. Ich hoffe, dass sich jemand findet, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Aber ich brenne natürlich nach wie vor für meinen Ort und werde mich weiter engagieren.

Manfred Dörr.
Manfred Dörr.
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