Kreis Bad Duerkheim „Ein sehr erfolgreiches Jahr“

Sie machen Medizin da, wo sie gebraucht wird und die Menschen erreicht: die ehrenamtlich tätigen Ärzte von „Der Street Doc“. Seit über einem Jahr öffnen sich mittwochs die Praxistüren für Menschen am Rande der Gesellschaft und des Gesundheitssystems. Ein Rückblick auf eine Erfolgsgeschichte.

Neue Praxisräume in der Dessauer Straße, die Erweiterung der medizinischen Versorgung um die Zahnmedizin, ausgezeichnet mit dem Preis „Ehrensache“ des SWR, dem Sozialpreis einer Pharmafirma und dem Helmut-Simon-Preis der Diakonie, dazu Spenden von Privatleuten, Serviceclubs, Ärzten, Apotheken oder auch durch Initiativen wie die Haarschneideaktion zugunsten von „Street Doc“ in der BBS (wir berichteten): Die Liste der Erfolge und rasanten Fortschritte des Projekts ist lang. „Es war ein sehr erfolgreiches Jahr und ,Der Street Doc’ läuft sehr gut“, zieht Initiator und Gastroenterologe Peter Uebel eine positive Bilanz, nur um im selben Atemzug hinzuzufügen: „Leider!“ Denn es wäre dem Internisten lieber, wenn die ehrenamtliche medizinische Versorgung von Menschen in Ludwigshafen nicht notwendig wäre. Doch der Bedarf ist da, wie ein Blick auf die Zahlen zeigt: Seit dem Start im Oktober 2013 wurden mehr als 500 Patienten behandelt. Es sind im Wesentlichen zwei Gruppen, die die Hilfe von „Der Street Doc“ suchen: Zum einen Menschen ohne Krankenversicherung, zum anderen Menschen, die zwar versichert sind, aber aus den unterschiedlichsten Gründen den Zugang zum System verloren haben. Hinzu kommt noch eine kleine Gruppe Asylbewerber, vor allem aus der Bayreuther Straße. Jeden Mittwochnachmittag öffnen die drei „Der Street Doc“-Praxen in der Kropsburger-, Bayreuther und Dessauer Straße für jeweils etwa eine Stunde. Die Behandlungsräume sind schlicht eingerichtet: Kleine Sprechzimmer, spartanisch mit Schreibtisch, Stühlen, Untersuchungsliegen, Regalen und Schrank für Verbandsmaterialien und Arzneien eingerichtet. Die zwölf Ärzte, die hier abwechselnd mit zehn Helferinnen im Einsatz sind, bieten eine medizinische Basis-Versorgung an. Wunden verbinden, Blutdruck und Blutzucker messen, Urin untersuchen und Medikamente ausgeben. Die Mediziner sehen hier zum Teil andere Erkrankungen als im Praxisalltag. Dazu gehören etwa offene Wunden, nicht behandelte, chronische Infekte und Hauterkrankungen wie Krätze. Wird ein Facharzt benötigt, kann „Street Doc“ mittlerweile auf ein Facharztnetz für die kostenlose Weiterbehandlung zurückgreifen. Sei es, dass ein Augenarzt eine ambulante Operation durchführt oder ein Gynäkologe eine hochschwangere Frau betreut. „Wir stoßen überall auf offene Türen“, freut sich Peter Uebel. Auch die Kliniken der Stadt helfen im Einzelfall und ermöglichen erforderliche Operationen. „Was jetzt noch fehlt, sind einige Arzthelferinnen, die bereit sind, einmal im Quartal für etwa vier Stunden für die gute Sache tätig zu werden“, äußert Uebel einen Weihnachtswunsch. Neben Arzt und Helferin ist immer auch ein Sozialarbeiter im Einsatz. „Die Zahl der Beratungen ist fast genauso hoch wie die der Behandlungen“, weiß Uebel. Denn klar ist: Die Menschen, die kommen, haben Probleme. Egal, wie die gelagert sind – es ist erklärtes Ziel von „Der Street Doc“, sie wieder in die sozialen Sicherungssysteme zu integrieren und sie auf dem Weg dorthin zu begleiten. So zieht ein Besuch in der Sprechstunde oft einen ganzen Rattenschwanz weiterer Beratungen und Ämtergänge nach sich oder mündet in ganz praktische Hilfe wie etwa Bettgestelle für vier Kinder und deren Mutter oder Kleidung für einen Obdachlosen. Im neuen Jahr erweitert „Der Street Doc“ die medizinische Versorgung um die Zahnmedizin. Der Behandlungsstuhl, Röntgengerät, Kompressor und die Technik sind schon einsatzbereit. Sobald die Schränke da sind, kann es losgehen. Auch hier ist der Bedarf groß, wie Peter Uebel berichtet. Und der Mediziner denkt schon weiter: Wenn an der Mannheimer Straße die Containersiedlung für Asylbewerber und Flüchtlinge gebaut wird, werden die Ärzte vermutlich auch dort aktiv werden. „Eventuell können wir das Containerdorf von der Praxis in der Bayreuther Straße aus versorgen, denn von der Mannheimer Straße aus ist die Praxis gut fußläufig zu erreichen“, sagt er. „Der Street Doc“ ist ein Kooperationsprojekt von Fachärzten, der Fachstelle für Wohnraumsicherung der Stadt und dem Haus St. Martin in Trägerschaft der Ökumenischen Fördergemeinschaft Ludwigshafen. Walter Münzenberger von der Ökumenischen Fördergemeinschaft war es auch, der den Anstoß für Projekt gab. Er machte Peter Uebel auf die fehlende medizinische Versorgung für Menschen am Rande der Gesellschaft aufmerksam. www.foerdergemeinschaft.de.

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