Kreis Bad Duerkheim Der Kampf mit dem Krampf

Genau das hätte nicht passieren dürfen! Ein böser Schmerz sticht mir in den Oberschenkel. Nichts geht mehr. Ein Krampf. Und das knapp sechs Kilometer vor dem Ziel. Was nun? Es hilft alles nichts. Ich muss stehen bleiben, hier, unweit des Rathauses in Grünstadt. Jeder Versuch, mich auf irgendeine Art fortzubewegen, wird von einem schlimmen Schmerz direkt ausgebremst. Was für ein Ärger! So kurz vor dem großen Ziel. So kurz vor Bockenheim. So kurz vor dem Ende meines ersten Marathons! Dabei ist es bis dahin gut gelaufen. Am Start hatten wir noch alle gute Laune. So viele hatten mir Glück gewünscht. Es ist ein besonderer Tag. Unglaublich viele Menschen stehen bereits in Bockenheim. Das wird sich auch in Asselheim und Grünstadt nicht ändern. Die Stimmung ist großartig. Die Besucher treiben die Läufer förmlich durch die Grünstadter Fußgängerzone. Dort genehmige ich mir an der Verpflegungsstation auch einen Schluck Wasser. Später werde ich abwechseln zwischen Wasser und isotonischem Getränk. Meinen Rhythmus habe ich längst gefunden. In Kleinkarlbach geht es dann erstmals richtig bergauf. Über Bobenheim am Berg und Weisenheim am Berg nach Leistadt. Kurz hinter Weisenheim muss ich eine kleine Pause einlegen. Nicht, weil ich nicht mehr kann. Die Getränke treiben. Ich muss mal. Da hat es Mann doch einfacher als Frau. Ansonsten komme ich gut den Berg hoch. Und auch runter nach Bad Dürkheim. Auch dort ist die Stimmung klasse, egal ob im Zentrum oder im Kurpark. Doch spätestens hier wird klar, dass der Rückweg hart wird. Die Sonne brennt erbarmungslos. Da sind die paar Meter im Schatten entlang der Saline eine schöne, kühle Abwechslung. Nach 1:51 Stunden habe ich die Halbmarathonmarke absolviert. Die Hälfte ist geschafft, mit der Zeit bin ich sehr zufrieden. Und es rollt weiter gut. Bis Ungstein. Dann folgt die nächste, wohl härteste Steigung des Tages. Über Kallstadt hinauf nach Herxheim am Berg. Ich nehme mir vor, locker zu laufen. Das Ziel muss es sein, gut oben anzukommen. Während viele hier gehen, laufe ich durch. Oben wartet mein Trainingspartner Karl-Heinz Klos mit dem Fahrrad an der Strecke. „Sebastian, alles gut?“, fragt er. Alles bestens. Weiter über Dackenheim nach Kirchheim. Die Beine schmerzen. Der Mann mit dem Hammer klopft an. Musste ja kommen. Immer wieder haben mir meine Trainingspartner von ihm erzählt. Ich habe beschlossen, ihn heute nicht reinzulassen. Trotzdem muss ich am Verpflegungsstand ein paar Meter gehen. Und ich werde auch die Steigung hinter Kirchheim in den Weinbergen immer mal wieder gehen. Dann geht es bergab nach Grünstadt. Und dort geht nichts mehr. Ich strecke mein rechtes Bein aus, ziehe die Zehenspitzen an. Versuche mir den Krampf rauszudrücken. Das klappt irgendwie. Ich will nur eines nicht: So kurz vor dem Ziel aufgeben. Mit Mühe schleppe ich mich in die Fußgängerzone zur Verpflegungsstation. Wasser, isotonisches Getränk, Banane. Alles, was hilft. Doch es hilft nicht lange. Auf der Asselheimer Straße muss ich immer wieder gehen. Der Krampf bricht ständig auf. Ich spreche mir immer wieder Mut zu. Bis da und dahin schafft du es zu rennen. Das sind die Meter, die für all diejenigen sind, die mir in den vergangenen eineinhalb Jahren geholfen haben, dass ich überhaupt so weit gekommen bin. Es waren so viele Menschen, die mit mir trainiert haben, die mir Tipps gegeben haben. Claus Wagner beispielsweise vom Pfalztrail, der mich zu meinen ersten 20 Kilometern geschleppt hat und damit auch irgendwie der Auslöser für meinen Marathonplan war. Ganz besonders die Laufgruppen der TSG Grünstadt und TSG Eisenberg, bei denen ich mich immer äußerst herzlich Willkommen gefühlt habe. Dirk Schlamp, auf dessen ärztlichen Rat ich bauen konnte. Das ist auch für die vielen, vielen Zuschauer, die mich nach vorne treiben und für das Organisationsteam und die vielen Helfer des Marathons Deutsche Weinstraße, die das wirklich großartig gemacht haben. Diese Veranstaltung ist ein Aushängeschild für den Kreis Bad Dürkheim, macht ihn über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt – und beliebt. Aber das ist ganz besonders für meinen Trainingspartner Karl-Heinz Klos. Ohne seine Ratschläge, ohne unsere wöchentlichen Trainingseinheiten wäre ich niemals so weit gekommen. Für sie alle möchte ich nun ins Ziel kommen. Doch als es bergab nach Asselheim geht, macht der Oberschenkel erneut böse zu. Ich humpele zum Verpflegungsstand. Wasser! Weiter humpeln, weiter Richtung Ziel. Die von vielen so gefürchtete „Wand von Asselheim“ hinauf wird es glücklicherweise wieder etwas besser. Ich kann zumindest gehen. Dann wird es nach Bockenheim hinein ein Wechselspiel zwischen Gehen und Laufen. War ich bis Grünstadt noch auf Kurs um die 3:40 Stunden, ist jetzt längst klar, dass ich es nicht unter vier Stunden schaffen werde. Doch das ist egal. Das Ziel ist das Ziel. In Bockenheim gehe ich noch einmal ein paar Meter. Kräfte sammeln. Denn ich will ins Ziel rennen. Das klappt. Die letzten Meter. Der Sprecher ruft meinen Namen ins Mikrofon. Die Menschen applaudieren. Was für ein Gefühl! Am Ende wird Platz 289 auf meiner Urkunde stehen und eine Zeit von 4:03:53 Stunden. Aber das ist mir eigentlich egal. Anderthalb Jahre habe ich auf diesen Moment hingearbeitet. Ich bin nun auch ein Marathonmann!

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