Donnersbergkreis Ein Schuh geht durch 100 Hände

Viel Handarbeit, aber natürlich sind auch Maschinen bei Steitz Secura in der Kirchheimbolander Vorstadt im Einsatz.
Viel Handarbeit, aber natürlich sind auch Maschinen bei Steitz Secura in der Kirchheimbolander Vorstadt im Einsatz.

«Kirchheimbolanden.» Traditionell und doch modern, „keine Schuhe von der Stange“ und dazu ein spezielles Gesundheitssystem: Da zeigten sich so einige Teilnehmer der RHEINPFALZ-Lesertour überrascht, als sie gestern rund drei Stunden lang einen Einblick in die Welt des Sicherheitsschuh-Herstellers Steitz Secura bekamen. Deutlich wurde dabei auch: Es läuft derzeit beim Kirchheimbolander Unternehmen.

Wer weiß, was aus Steitz Secura geworden wäre, wenn Walter Huth nicht in den 1970er Jahren die Idee gehabt hätte, sich auf Sicherheitsschuhe zu spezialisieren. Dessen Sohn Michael hat zumindest eine Vermutung, wenn er sich den Wandel in der Schuhindustrie betrachtet. „Es würde uns heute nicht mehr geben“, sagt der 43-Jährige. Ähnlich sieht es der Seniorchef: „Als ich 1955 anfing, gab es in Pirmasens noch so viele Schuhfabriken wie das Jahr Tage hat. In der gesamten Pfalz gab es 600 Schuhfabriken. Heute sind es noch zwölf.“ Es ist in diesem Moment eine Reise in die Vergangenheit, in die Schuh- und Unternehmensgeschichte, auf die die beiden Geschäftsführer die RHEINPFALZ-Leser im Zentrallager an der Autobahn 63 bei Brezeln und Getränken mitnehmen. Damals, da war Steitz Secura – zu diesem Zeitpunkt hieß das Unternehmen noch Steischuh, zuvor bei der Gründung 1863 Louis Steitz – eine Art Vollsortimenter im Schuhbereich. „Wir hatten so ziemlich alles gemacht, Damen-, Herren- und Kinderschuhe, kurzzeitig sogar Skischuhe“, sagt Michael Huth. „Im Jahr mussten wir zwei Mal die Kollektion wechseln, einmal für Sommerschuhe und einmal für Winterschuhe“, ergänzt Walter Huth – und schiebt nach: „Ich hatte keinen Bezug zur Mode, und den ständigen Kollektionswechsel konnten wir uns auf Dauer nicht leisten.“ Also entschied er sich für eine Spezialisierung auf Sicherheitsschuhe. „Damals hieß das noch Unfallverhütungsschuhe“, sagt der Seniorchef schmunzelnd – und fügt an: „Ich denke, das war die richtige Entscheidung.“ Sein Sohn unterstreicht dies mit Zahlen: 3500 Paar Schuhe stellt Steitz Secura täglich her. „Wobei das auch vom Produktionsprogramm abhängt.“ Für das Geschäftsjahr 2018 ist ein Umsatz von 40 Millionen Euro – und damit ein Wachstum um etwa zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr – anvisiert, und 200 Mitarbeiter sind an den Standorten Kirchheimbolanden und Pirmasens beschäftigt. „Das zeigt, dass wir derzeit vieles richtig machen“, sagt Huth – und fügt an: „Es ist aber auch so, dass die Konjunktur gut läuft.“ Wie es genau bei Steitz Secura in der Vorstadt läuft, auch das dürfen die Teilnehmer der Lesertour sehen und erhalten dabei einige interessante Einblicke vom Serverraum im oberen Stockwerk über die Zwickerei bis zur Endkontrolle und Verpackung. Rund fünf Millionen Euro hatte das Unternehmen laut Huth im vergangenen Jahr investiert – in eine neue Halle und in eine vierte Produktionsstraße. Und auch in diesem Jahr sind so einige Baumaßnahmen vorgesehen. Im hinteren Bereich soll in den nächsten Wochen eine Art Rampe entstehen, zudem werde das obere Stockwerk „vollkommen umgestaltet“, so Michael Huth. Hier sollen Büros für Entwicklung, Einkauf, Marketing und Qualitätsmanagement entstehen. Eine Etage tiefer in der Zwickerei spielt aktuell der Begriff „Gore-Tex“ eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich laut Rolf Steinacker, zuständig für technische Prüfungen und Zertifizierungen, der gemeinsam mit Patrik Bata aus dem Bereich Entwicklung die Leser durch das Werk führt, um ein Produkt, das einerseits atmungsaktiv, gleichzeitig aber auch wasserdicht ist. Aber auch eines, das sehr empfindlich ist und für dessen Verarbeitung deswegen auch in der Zwickerei mehr Zeit benötigt wird. Der Schaft, also das Obermaterial des Schuhs, wird nicht in Kirchheimbolanden zusammengenäht. Das passiert laut Steinacker größtenteils in Südamerika. Der einzige Teil der Produktion, der nicht in der Pfalz vorgenommen wird. Der Mitarbeiter berichtet auch, dass es Zehenschutzkappen aus drei verschiedenen Materialien gibt – Stahl, Aluminium und Kunststoff. Und solch ein Sicherheitsschuh wird nicht nur aus Leder hergestellt. „Sehr stark im Kommen ist auch Mikrofaser“, so Steinacker. Das sei sehr leicht und unempfindlicher. „Durch rund 100 Hände geht ein Schuh, bis er fertig ist“, sagt der Mitarbeiter. So manche Leser staunen nicht schlecht, wie viel Arbeit hinter einem solchen Produkt steckt. Zwei der Hände gehören Alexander Mayer. Er sitzt ziemlich am Ende der Produktionskette und ist dafür zuständig, den überstehenden Sohlenrand abzuschneiden. Mayer macht das in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit, schafft 1000 Paar Schuhe am Tag. Das nötigt nicht nur seinen Kollegen Respekt ab. Wie lange sollte so ein Sicherheitsschuh halten? „Das kann man nicht sagen“, antwortet Steinacker. Es komme im Wesentlichen auf die Art der Benutzung an. Im Übrigen hat sich Steitz Secura darauf spezialisiert, möglichst passgenaue und rückenschonende Schuhe zu produzieren. So werden diese nicht nur in vier verschiedenen Weiten hergestellt, sondern auch mit einer individuell angepassten Dämpfung. „Bei uns gibt es nicht den Schuh von der Stange, sondern pro Schuh 20 verschiedene Versionen – vier verschiedene Weiten und fünf verschiedene Gewichtsmodule.“ Bei all dem legt man zudem Wert auf eine gewisse Wiedererkennung. Gefragt sind die Produkte aus Kirchheimbolanden übrigens nicht nur im Inland. „Wir haben auch einen eigenen Außendienst in England. Für uns ist es deswegen eine spannende Frage, wie es in Sachen Brexit weitergeht“, sagt Michael Huth.

Hinter einem Schuh stecken zahlreiche Arbeitsschritte.
Hinter einem Schuh stecken zahlreiche Arbeitsschritte.
Im oberen Stockwerk berichtet Michael Huth (rechts) von den Umbauplänen.
Im oberen Stockwerk berichtet Michael Huth (rechts) von den Umbauplänen.
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