Kaiserslautern Zwischen Genie und Wahnsinn

Sechs Zombies für ein Halleluja: Völkerball mit Rammstein in Ramstein.
Sechs Zombies für ein Halleluja: Völkerball mit Rammstein in Ramstein.

Seit zehn Jahren hat sich die Formation Völkerball auf die Fahne geschrieben, den Sound und die urgewaltige Atmosphäre einer Rammstein-Show auf die Bühne zu bringen. Im ausverkauften Ramsteiner Congress Center überzeugte die Coverband damit am Freitagabend sogar alteingesessene Rammstein-Fans. 1200 Besucher feierten ab wie Bolle.

Die Bühne ist in Dunkelheit gehüllt. Hinter dem schwarzen Vorhang ahnt man einen riesigen Aufwand an überdimensionalen Lautsprechern und Scheinwerfer über Scheinwerfer. Aber zunächst heißt es warten. Eine halbe Stunde später geht es endlich los. Eine Explosion mit dumpfem Schlag eröffnet die Show zwischen Genie und Wahnsinn. Der Vorhang fällt und gibt den Blick frei auf die unwirklich maschinell wirkende Kulisse. Eine rasante, grellblaue Stichflamme verschlingt alle Atemluft. Hinter einer Wand aus Feuer und Nebel nur schemenhaft erkennbar, übernimmt die Band und führt das Publikum durch eine Inszenierung aus Lichtshow, exakt gesetzten Pyroeffekten und dem perfekt aufeinander eingespielten Völkerball-Sound. Tief, unerbittlich hart erklingt die sonore Stimme des Frontmanns René Anlauff, der es mehr als jeder andere versteht, den Konzertbesucher in die urgewaltige Atmosphäre zu entführen, die sich in den Texten Rammsteins wiederfindet. Von seinem Podest herunter dröhnt er mit abgrundtiefem Bass, einer wahren Grabesstimme. Und mit Körpereinsatz dirigiert er die Menge, die die Lieder teilweise Wort für Wort mitsingt. Zombies hoch sechs agieren da auf der Bühne. Sie sind geschminkt, als kämen sie direkt von einer Halloween-Party: die Gesichter schneeweiß, die Augenhöhlen schwarz. Da wären die angsteinflößenden Gitarristen Tobias Kaiser und Björn Müller mit ihren verzerrten Gitarrenriffs, die das Riff eines Songs meist gleichzeitig spielen, allerdings in zwei unterschiedlichen Oktaven. Da wäre der genauso Angst einflößende Tillmann Carbow mit seinem dröhnenden Bass. Da wäre der Schlagzeuger Dirk Oechsle, der in luftiger Höhe, knapp unter der Bühnendecke, thront, mit seinen steinharten Schlägen und der die beiden Bassdrums. Da wäre der Keyboarder Andreas Schanowski im orangenen Feuerwehranzug, der sich das riesige Spielgerät um den Leib gebunden hat und sich auf einem Schlauchboot durch die Menge tragen lässt. Und da wäre der nur vermeintlich lammfromme Frontmann. Sechs Zombies für ein Halleluja! Schon der Opener „Ramm 4“ bietet alles, was man sich an Laut/Leise-Dramatik wünschen kann. Weil sie gehörig mehr Pfeffer im Hintern haben, sind sie so etwas wie die Chili Peppers für Hartbesaitete.Sie verlöten den Hard-Rock mit dem Alternative-Rock, aber auch mit Technoelementen, beispielsweise in „Sehnsucht“. Und diese Musik ist im Grunde sehr einfach, stumpf, oft auch monoton. Sturer auf die Eins geklopfter Viervierteltakt. Ein Marschieren mit den Handflächen. Heavy Metal wird mit elektronischer Musik und Soundeffekten gemischt wie bei „Asche zu Asche“ oder „Engel“. Die Gitarrenriffs zeichnen sich meist durch einen bestimmten Groove aus, der zu den Betonungen der Viertelschläge des Schlagzeugs passt. Um einen kraftvollen Sound zu erreichen, verwenden Kaiser und Müller häufig nur aus Grundton und dazugehöriger Quinte bestehende Akkorde, sogenannte Powerchords. Außerdem sind ihre Klänge meist stark verzerrt. So kommt der Sound von Völkerball dem Rammstein-Original recht nahe. Bloß im CCR hält sich die Band mit der Lautstärke merklich zurück. Es fehlt einfach der Druck, der sich im Körper des Hörers niederschlägt. Und trotzdem ist Völkerball ein Tornado, ein Wirbelsturm von martialischer Größe und perverser Schönheit, der sich ohne Unterlass höher schraubt. So verkündet die Band Titeln wie „Feuer frei“, „Laichzeit“, „Haifisch“ (angelehnt an Bertolt Brechts „Mackie Messer“) „Halleluja“ oder „Du hast“ Donnergrollen und Unheil, tief klagender Gesang prophezeit Leid und körperlichen Schmerz. Zweieinhalb Stunden lang (mit Pause) wirbelt die Musik unaufhaltsam umher und jagt apokalyptische Bilder durchs Gehirn. Der Großteil der Besucher fährt voll darauf ab, reckt die Arme in die Höhe und grölt lauthals mit. Drei Zugaben.

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