Kaiserslautern Von der Suche nach dem Glück

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Nur ein deutscher Film und zwei durch deutsches Geld mitfinanzierte Produktionen im 18 Beiträge starken Wettbewerb: Die 66. Berlinale gibt sich international. Und setzt auch auf Debüts statt nur auf Namen. Stars kommen zwischen 11. und 20. Februar dennoch: Meryl Streep ist Jury-Präsidentin. Colin Firth, Isabelle Huppert, Jude Law, Gérard Depardieu, Channing Tatum, George Clooney und Emma Thompson sind auf der Gästeliste.

„24 Wochen“ heißt der einzige deutsche Wettbewerbsbeitrag: Julia Jentsch spielt eine Schwangere, die erfährt, dass ihr Baby schwer krank ist. Der als Komödiendarsteller bekannte Bjarne Mädel ist als ihr Ehemann zu sehen. Regie hat Anne Zohra Berrached geführt: Es ist ihr Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg. „Nur“ im Panorama gelandet ist dagegen Doris Dörrie mit „Grüße aus Fukushima“. Im Panorama ist auch Juli Jentsch ein weiteres Mal zu sehen: im Film „Auf einmal“ der Berliner Regisseurin Asli Özge. Weder im Wettbewerb noch in einer wichtigen Zweitreihe wird Hans Steinbichlers Porträt „Das Tagebuch der Anne Frank“ (Kinostart: 3. März) gezeigt: Weltpremiere feiert der Film als „Sondervorführung“ im Jugendprogramm Generation – eine Art Abstrafung. Das Auswahlgremium mochte wohl den Ton des Films nicht, der bereits der Presse gezeigt wurde, mit Verpflichtung zu Verschwiegenheit allerdings. Nur so viel: Steinbichler und sein Drehbuchautor Fred Breinersdorfer („Sophie Scholl“, „Elser“) zeigen Anne Frank als schwer Pubertierende, die bisweilen zu Hochmut und Härte, insbesondere gegenüber ihrer Mutter, neigt. Andere deutsche Filmemacher zogen eine Einladung in die USA zum Sundance-Festival offenbar der Berlinale vor. Dort uraufgeführt wurden gerade Nicolette Krebitz’ „Wild“ und Werner Herzogs neue Doku über digitale Vernetzung. Die in Heidelberg spielende, vom SWR mitfinanzierte deutsch-amerikanische Produktion „Morris From America“ von Chad Hartigan über ein Soldatenkind gewann im Sundance-Hauptwettbewerb gar zwei Preise. Über die Berlinale-Bären wiederum darf auch ein Deutscher mitentscheiden: Schauspieler Lars Eidinger ist in der von Meryl Streep geleiteten Jury. Außerdem als Bärenhüter engagiert: die Schauspieler Clive Owen und Alba Rohrwacher, Tochter eines Deutschen und einer Italienerin, bekannt aus Doris Dörries „Glück“ und dem Vorjahres-Wettbewerbsbeitrag „Vergine giurata“. Ebenfalls 2015 selbst noch im Bärenrennen: Regisseurin Malgorzata Szumowska aus Polen, die neben der französischen Fotografin Brigitte Lacombe und dem britischen Filmkritiker Nick James („Sight & Sound“) die Jury ergänzt: Es entscheiden dieses Jahr also mehr Frauen als Männer über die Bären. Auch in vielen der 434 Berlinale-Filme aus 77 Ländern stehen Frauen im Fokus, und es sind 112 Regisseurinnen präsent. Im Wettbewerb ist neben der Deutschen Anne Zohra Berrached die Französin Mia Hansen-Løve vertreten, die im Vorjahr mit „Eden“ Gast des Mannheim-Heidelberger Filmfestivals war: In der deutsch-französischen Produktion „L’avenir“ spielt Isabelle Huppert eine Pariser Philosophielehrerin, die gezwungen wird, ihr Leben neu zu überdenken. Deutsche Gelder stecken auch in den Wettbewerbsfilmen „Soy Nero“ des Exil-Iraners Rafi Pitts über einen „illegalen“ Mexikaner in den USA sowie in „Jeder stirbt für sich allein“ nach Hans Fallada. Die französisch-englisch-deutsche Produktion hat der Schweizer Schauspieler und Regisseur Vincent Perez inszeniert. In dem Porträt eines individuellen Widerstands im Zweiten Weltkrieg agieren Emma Thompson, Brendan Gleeson, Mikael Persbrandt und Daniel Brühl, die auch alle nach Berlin kommen wollen. Vom Widerstand gegen die spanische Kolonialherrschaft auf den Philippinen im 19. Jahrhundert dagegen erzählt der Philippiner Lav Diaz: „A Lullaby To The Sorrowful Mystery“, ein „Schlaflied“ also, erfordert Geduld – der Wettbewerbsfilm dauert acht Stunden! Berlinale-Direktor Dieter Kosslick sieht den „großen Wunsch nach Liebe, Selbstbestimmung, Heimat, Leben, ja Überleben“, kurz: das „Recht auf Glück“ als roten Faden der 66. Festivalausgabe. Aktuelle politische Themen greift im Wettbewerb etwa Gianfranco Rosis Lampedusa-Doku „Fuocoammare“ (Fire at Sea) auf. Im Panorama erzählt Rachid Boucharebs „La route d’Istanbul“ von einer belgischen Mutter, die ihre in den Dschihad gezogene Tochter aus Syrien heimholen möchte, und Mantas Kvedaravicius beleuchtet die Lage in der Ost-Ukraine. Zur Eröffnung aber läuft eine Komödie außer Konkurrenz: „Hail, Caesar!“ von Joel und Ethan Coen spielt in den 1950ern hinter den Kulissen Hollywoods. Hauptdarsteller George Clooney und die Regisseure reisen an. Und erste Preisträger stehen bereits fest: Der langjährige Coen-Brüder-Produzent Ben Barenholtz wird mit einer Berlinale-Kamera geehrt, ebenso Tim Robbins. Ein Goldener Ehrenbär geht an den Kameramann Michael Ballhaus.

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