Kaiserslautern Vielfältig wie die Welt

Regionale Kunst – der Begriff riecht manchem arg nach provinziellem Köcheln im eigenen Sud. Dass das ein Vorurteil ist und auch im Großraum Karlsruhe-Mainz, Heidelberg-Kaiserslautern spannende zeitgenössische Arbeiten gedeihen, will seit 2010 im zweijährlichen Wechsel zwischen Mannheim und Ludwigshafen die „Regionale“ beweisen. In diesem Jahr ist wieder Ludwigshafen an der Reihe, wo die Schau heute im Wilhelm-Hack-Museum und beim Kunstverein eröffnet wird.

52 Künstlerinnen und Künstler mit mehr oder weniger engem Bezug zur Region wurden für die Doppelausstellung eingeladen, wobei es beim Auswahlverfahren eine bedeutende Veränderung gab: Nachdem die Arbeit der Jury in der Vergangenheit massiv in die Kritik geraten war, verzichteten die Macher von Museum und Kunstverein diesmal ganz auf Bewerbung und Ausjurierung. Stattdessen nominierten 13 Kuratoren und Kunstkritiker aus der Region je zwei Künstler ihrer Wahl, die dann ihrerseits jeweils einen Kollegen einladen durften. Ein „künstlerisches Korrektiv“ nennt René Zechlin, Direktor des Hack-Museums, dieses Verfahren, wobei er offen lässt, was oder wer genau hier korrigiert werden soll. Das Ergebnis jedenfalls kann sich sehen lassen: Die Schau löst zwar vielleicht keine tektonischen Vorgänge aus, wie sie der Titel „Deltabeben“ nahelegt, bietet aber eine interessante Auswahl der zeitgenössischen Kunstproduktion der Region, bei der niemand provinzielle Enge befürchten muss. Vielmehr knüpfen die gezeigten Werke in vielfältiger Weise an internationale Tendenzen an. Das Spektrum umfasst alle gängigen Techniken, wobei allerdings – auch dies ein weltweit zu beobachtendes Phänomen – die „klassischen“ Gattungen Malerei und Zeichnung vorherrschen. Aber etwa auch Video, Fotografie und medienübergreifende Installationen sind gut vertreten. Auch stilistisch gibt es für fast jeden Geschmack etwas: Realistisch-figurative Tendenzen treffen auf vielfältige Abstraktionsprozesse, ausgesprochen Minimalistisches auf bewusst Plakatives oder Symbolhaftes. Langeweile sollte beim Besuch also nicht aufkommen. Bei der regionalen Verteilung ist die Dominanz von Künstlern mit Karlsruhe-Bezug bemerkenswert. Fast wie auf einer Ausstellung der dortigen Akademie kommt man sich bei den ersten Schritten im Hack-Museum vor, wo nebeneinander Jonas Lundius mit einem mystisch anmutenden Ölgemälde und einer Installation mit an die Wand gepinselter Dartscheibe, Jakob Broder mit einem ethnologisch anmutenden Wandensemble aus 32 Pappmaché-Skulpturen, Enrico Bach mit zwei aus verschachtelten Farbflächen komponierten, abstrakten Großformaten und Christian-Kevin Kurzawe mit drei zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit changierenden Keramik-Skulpturen vertreten sind. Dieses Quartett spiegelt auch gut die Altersstruktur der „Regionale 2014“: Sie ist keine Schau der arrivierten Altmeister, die es mit Erwin Gross, Günther Berlejung, Michel Meyer, Jens Trimpin oder eben Broder aber auch gibt, sondern durchaus für Entdeckungen gut: Bach, Kurzawe und Lundius sind alle um die 30. Der älteste Künstler der Schau ist der Mannheimer Bernhard Sandfort – Jahrgang 1936 – mit einer mehr als 100-teiligen Wandinstallation aus konstruktivistischen Acryl-Tafeln. Ein echter Hingucker ist im Hack-Museum ein in zweiwöchiger Arbeit vor Ort entstandenes monumentales Wandgemälde des Mannheimers Konstantin Voit, das sein Kollege Skafte Kuhn um installative Elemente ergänzt hat. Beim Kunstverein zieht die in der Mitte der Halle platzierte Installation „Plaza“ des Duos Birgit Schuh/Michael Volkmer, die unter anderem mit kondensiertem Tuschewasser arbeitet, die Blicke auf sich. Bemerkenswert sind unter anderem auch die „Bad Women“ des aus Karlsruhe stammenden und in Hamburg lebenden Fotografen Frederik Busch, eine skurril anmutende Serie mit digital veränderten Porträtaufnahmen von als Frauen verkleideten Männern, die witzig die Geschlechteridentität hinterfragt, und eine unbetitelte Hänge-Skulptur der Mannheimerin Katja Schwing, die ein Gemälde von Cy Twombly auf verblüffende Weise ins Dreidimensionale überträgt.

x