Kaiserslautern Um des guten Bildes willen

„Es ist das Resümee meiner politischen Fotografien aus fünf Jahrzehnten.“ Sagt die 80-jährige Erika Sulzer-Kleinemeier, die namhafte Fotojournalistin im politischen Nachkriegsdeutschland, zur Werkschau ihrer gut 50-jährigen Journalistenzeit. Das Theodor-Zink-Museum zeigt sie in Scheune und Wadgasserhof und damit in diesem Umfang erstmalig in Rheinland-Pfalz überhaupt. Der Titel: „Eine Kamera für den Frieden“ mit dem Unterkapitel der Porträtsammlung „Helden und Legenden“.

Staunen und Raunen beim Betreten der Scheune: So wahnsinnig viele Bilder! Die Wände voll von thematisch und chronologisch sortierten Fotografien, von seitenweisen Collagen, Plakaten sowie Publikationen in Vitrinen. Hier überwiegt schwarz-weiß, gleichermaßen Fakt und Synonym für Vergangenheit. Konkret heißt das: Sulzer-Kleinemeier zeigt dokumentierte Ereignisse im Nachkriegsdeutschland, die Geschichte schrieben. Dazwischen vereinzelte Schnittstellen ins DDR-Geschehen oder Überseeblicke auf den amerikanischen Kontinent. Im Wadgasserhof dagegen glänzt Farbe von den Wänden, informativ und einen Tick emotionaler. Bunt halt. Soweit der übergeordnete Kontext dieser Werkschau, das knappe Andeuten thematischer, inhaltlicher und räumlicher Dimension, für die Sulzer-Kleinemeier mit der Kamera unterwegs war. Ihr Berufsbild bedeutet Bildreportagen, das heißt von Ereignissen zu berichten und die Geschichten zum Medienkonsumenten zu transportieren. Möglichst aktuell und dennoch fundiert auf den Punkt gebracht. Das wiederum verlangt lesbare Bilder themenbezogener Bildelemente. Die Machart bedient sich Bildkompositionen. Sie kommt visueller Ästhetik am nächsten, sofern sie Ton- und Lesarten im Innern trifft. Es entstehen ungemein einprägsame Bilder, die ebenso für Fakten, als auch für das kollektive Gedächtnis stehen. Dass dies nicht zwangsläufig standardisierten Bildaufbauten entspricht, zeigen Sulzer-Kleinemeiers Fotos ebenso eindrücklich wie überzeugend. Es sind jene perfekt gestalteten Momente im Kameraformat, die wie inszeniert wirken und damit beobachtende Augen hinter der Kamera erwähnen, die abzuwarten verstehen, weil es gilt richtige und falsche Momente zu unterscheiden. Sowohl bildlich als auch inhaltlich. Wie bedeutsam die politische Dimension war oder wurde, bezeugen Printmedien wie Spiegel, Stern, Die Zeit, Frankfurter Rundschau, taz, Washington Post oder Daily Telegraph, die Sulzer-Kleinemeiers Bilder im Blatt hatten. Dabei ging es nicht selten um Anti-Promis, um porträtierte Menschen, reportiert in komplexen, langjährigen Aktionen wie etwa die Friedensbewegung, Gastarbeiter oder Hausbesetzer. Und dann natürlich prominente Namen. Angefangen bei Adenauers Beerdigung bis zu Polit-Köpfen jedweder Couleur, etwa Rudi Dutschke, zeigt die Fotografin das Tun und Bewirken von Militär, Polizei, Demonstranten, Kindern antiautoritärer Erziehung, Künstlern, Sängern, Musikern, Philosophen. Die Fotojournalistin war unter anderem 1972 auf der documenta, 1970 an der Mauer, 1990 erneut. So mancher Museumsbesucher wähnt sich mittendrin im Getümmel, sucht sich, wo Menschenmassen Bildsequenzen füllen. Übrigens: Auch Sulzer-Kleinemeiers Gesicht zählt zu den öffentlichen Personen. Es ist ihre Neugierde, ihr engagiertes, teils persönliches Anliegen in und für die Arbeit wie Friedensbewegung oder Frauenarbeit. Letztere dokumentierte sie in den 1970er und 1980er Jahren und war seinerzeit selbst eine von drei Exotinnen ihres Metiers neben Barbara Klemm und Angelika Heuke. Die Bedingungen der „Macho-Welt“ der Kollegen lehrten sie dabei Eigensinn, um des guten Bildes wegen. Ganz unspektakulär wirken dagegen die Landschaftspanoramen im Wadgasserhof. Ihrer pfälzischen Region gibt die Wahlpfälzerin damit ein Forum, sie scheint sie jedoch eher zu verherrlichen. Das Glück des Betrachters: ihm gegenüber der Ausdruck meditativ ursprünglicher Natur. Ausstellung Bis 3. Januar mit umfangreichem Begleitprogramm; Infos: www.stadtmuseum-kl.de.

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