Kaiserslautern Tock, tock, tock

Zum „Workshop Marmor“ hatte der Kulturverein Palatia-Art Steinwenden geladen. Oder – etwas altmodischer ausgedrückt – zum guten, alten Lehrgang oder zum beliebten Fortbildungskurs in Sachen kollektiven Erlernens des „Hobbys“ Bildhauerei. Der Begriffe gibt’s viele. Das Ambiente nur einmal. Eindrücke eines Open-Air-Werkstattbesuchs am Waldrand des Weltersbachers Sportgeländes.

Ulrich Johannes Müller kennt hier jeder, der auch nur entfernt mit Skulpturen und Plastiken zu tun hat. Als gelernter Steinmetz ging er nach Italien und bildete sich dort zum Bildhauer aus. Regelmäßige Teilnahmen an internationalen Symposien führten ihn wieder zurück, unter anderem ins Schweinstal. Das war 1986, das erste Bildhauertreffen, das unter Jürgen Picard zum Verein Skulpturenweg Rheinland-Pfalz führte. Müllers Kunstwerk aus Pfälzer Sandstein „Das Ende des Spiels“ steht an den Weihern entlang der Zufahrt zum Natursteinwerk. Doch Müller ist nicht nur als Künstler aktiv und renommiert. Er doziert gern. Oftmals mit Kollegen. Diesmal wieder mit Bildhauer Klaus Hunsicker. Sehr zum Lob und Vergnügen seitens der Kursteilnehmer. Und so wundert es nicht wirklich, dass vertraute Gesichter vom Vorjahr anzutreffen sind. Ein weiterer Grund, Müllers Kurse zu belegen, sind sein Wissen und Können rund um Carrara-Marmor. „Man wird zum Wiederholungstäter“, bringt es Pensionärin Renate Selzer auf den Punkt. Ein weißer Fisch zeichnet sich auf dem Holzsockel ab. Eindeutig figürlich das Maul, die Rückenflosse, der Schwanz. Das Auge ist dran. Gar nicht so einfach. Ausgerechnet dort, wo es anatomisch korrekt hingehört, haben ausgebrochene Quarzeinschlüsse eine Vertiefung hinterlassen. Müller weiß Rat. Und klopft eine kreisrunde Schattenrille heraus. Sie lässt optisch eine Augenhöhle wahrnehmen. Mit abgerundetem Spitzmeißel aus Stahl in Millimeterschritten nur noch herausklopfen und schon sieht es täuschend echt aus. Apropos Klopfen. Dieses typische tock, tock, tock, irgendwo im Bassbaritonbereich mit metallen obertonigem Nachhall. Ähnlich schallen auch Gertrud Loberts Arbeitsgänge über den Platz. Noch ist nur ein Umriss erkennbar, das flache Oval aus weißem Marmor. Ein Minimodell aus Speckstein verrät, dass eine der beiden Seiten ein angedeutetes Antlitz bekommen soll. Die beiden Lauterer Frauen sind schon länger dabei Skulpturen und Plastiken zu kreieren. Inklusive Reisen nach Italien, dorthin wo Müller Heimatkurse gibt. Anders ergeht es Roland Bischofberger. Der Arzt und Berufsbildhauer kommt „nur wegen Uli“ in die Pfalz. Seine Marmorarbeit, die kleinere, rechtwinklig glatte Stele „Kopf und Bein“, ist fertig. Da locken Fachsimpeleien. Tipps geben, Ansichten teilen oder ergänzen. Von Berührungsängsten zwischen Profis und Semiprofis keine Spur. Auch seitens Gabi Kassel nicht, die als totaler Laie mit „irgendwann-vor-30-Jahren-Erfahrung“ an einem Tuffstein arbeitet. Mit einem Zahneisen klopft sie die Konturen eines Gesichtes aus dem weicheren Gestein. „Ich sehe diese Masken der Maoris vor mir. So stelle ich mir meine Plastik am Ende vor.“ Die flächig einfachen Formen kommen ihr da sehr entgegen. Die schnörkellosen Linien ebenfalls. Ob Profi, Semiprofi, Laie – einig sind sie sich alle, dass die Beschäftigung mit Stein, erst recht mit einem so widerspenstigen wie Marmor, eine rundum wohltuende Sache ist. Dass es doch nur Fantasie braucht, den Blick für Proportionen und Anatomien. Und dann raus aus den Alltag, rein in die Gruppe und wenn es regnen sollte – runter unters Zeltdach. Doch das Wetter hält. Und die Freude gestaltend tätig zu sein, ebenfalls. Gestern Abend hieß es: in diesem Sinne bis nächstes Jahr.

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