Kaiserslautern „Sieg des Schönen über das Schreckliche“

Die Volkshochschule möchte eine Bronzeskulptur des aus Kaiserslautern stammenden Bildhauers Gérard Koch ankaufen. Dafür sammelt der VHS-Direktor Michael Staudt Spenden. Je nach Höhe entscheidet sich dann, welches Werk des deutsch-französischen Künstlers gekauft wird. Fest steht bereits, dass es ein neueres Werk des 2014 verstorbenen Künstlers werden soll. Die RHEINPFALZ sprach mit Staudt über Gérard Koch, dessen Person und Werk die Volkshochschule am Sonntag, 15. März, um 18 Uhr mit einer Hommage in der Volkshochschule würdigt.

Es ist ja nun nicht die originäre Aufgabe einer Volkshochschule, Kunstwerke anzukaufen und auszustellen. Wie kamen Sie auf die Idee?

Die politische und kulturelle Bildung sind ein wichtiges Themenfeld an unserer Volkshochschule. Mit dem Ankauf von Kunstwerken haben wir in den letzten Jahren eine jahrzehntealte Tradition der Volkshochschule wieder aufgegriffen. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Volkshochschule immer wieder, um die regionale Kunstszene zu unterstützen, Kunstwerke angekauft und öffentlich in der Volkshochschule ausgestellt. In unseren Gängen und Räumen hängen daher viele Kunstwerke von Künstlerinnen und Künstlern aus der Region. Kunstausstellungen finden zudem mehrfach im Jahr statt. Sicherlich hätte ich den Ankauf eines Werkes über die Stadt und mit Mitteln von Kunst am Bau, beispielsweise beim Neubau der BBS, begrüßt. Aber aus finanziellen Gründen wurde davon städtischerseits Abstand genommen. Da für mich das finanzielle Argument in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar war, haben die Kulturbürgermeisterin als Vorsitzende der VHS und ich beschlossen, den Ankauf eines Werkes mit bürgerschaftlichem Engagement zu organisieren, getreu dem Motto von Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes außer man tut es.“ Warum haben Sie sich für Gérard Koch entschieden? Gérard Koch ist 1926 als Günther Manfred Julius Koch in Kaiserslautern geboren. Als Kind von Eltern jüdischen Glaubens konnte er die Pfalz in einem Rothschildt-Kindertransport kurz nach der sogenannten „Reichskristallnacht“ im Jahr 1938 nach Frankreich verlassen, wurde dort in Straßburg von einer französischen Familie adoptiert und bekam seinen neuen Vornamen „Gérard“. Seine Mutter konnte ihn so retten, während alle anderen Familienmitglieder nach Gurs und später in die Vernichtungslager deportiert worden sind. Zudem hat die VHS eine besondere Beziehung zu dem Künstler, dadurch dass wir in Zweibrücken, Kaiserslautern, im Landtag in Mainz und in Rockenhausen gemeinsame Ausstellungen organisiert haben. Außerdem hat Gérard Koch im Jahr 2010 den renommiertesten französischen Kunstpreis der Académie des Beaux Arts verliehen bekommen und war seit 1990 im Vorstand der einflussreichen Pariser Künstlervereinigung Salon de Mai, die in Paris die berühmten Kunstausstellungen im Monat Mai organisiert. Künstler von diesem Rang hat die Pfalz nur sehr wenige hervorgebracht. Er war Atelierleiter bei den berühmten Künstlern Emanuel Auricoste, Henri Laurens und Ossip Zadkine und schon in jungen Jahren vielfacher Preisträger. Wir können uns glücklich schätzen, ein solches Kunstwerk beheimaten zu dürfen. Kunst kann aufrütteln, kann nachdenklich machen. Sie haben die Benefizveranstaltung „Der Schrei − Kunst wider das Vergessen“ genannt. Dabei denkt man sofort an Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“, das wohl jeder vor Auge hat. Sind Kochs Bronzeskulpturen ähnlich in ihrer Aussagekraft? Gérard Koch hat sich lange Zeit nicht von seinen Erlebnissen in der Zeit des Nationalsozialismus befreien können. Er war gefangen in den Fragen nach dem Wozu und Warum. In dieser Zeit hat er ausdrucksstarke Bronzeplastiken geschaffen mit den Bezeichnungen „Der Schrei, der Schmerz, die Verzweiflung“, die gebeugte und schmerzverzerrte Köpfe und verstummte Schreie zeigen, Ausdruck von Ohnmacht und Aufbegehren zugleich. Erst in den letzten Jahren hat er bei Ausstellungen diese Werke der Öffentlichkeit wieder präsentiert und seinen Frieden gefunden mit dieser Schaffensperiode. Es soll ein neueres Werk von Koch angekauft werden. Warum? Wir möchten mit den Spenden ein neueres Werk von Gérard Koch ankaufen, da wir wissen, dass er sich naturgemäß mit diesen − wie jeder Künstler − am stärksten identifiziert hat. Zudem wollte er nie ein „Opferkind“ sein, will heißen, er wollte sich immer vom aufgezwungenen Stigma als Opfer des Nationalsozialismus lösen. Seine Kunst sollte sprechen, nicht seine Vergangenheit. Denn sein innerer Überlebensdrang hieß letztlich: „Das Schöne muss über das Schreckliche siegen.“ Extreme existenzielle Erfahrungen, wie sie das Leben Gérard Kochs zeichnen, prägen aber auch die neueren Werke. Raum und Bewegung sind ihm dabei ganz wichtig und erzeugen eine spirituelle Tiefe. Über Leben und Werk des Künstlers informieren Sie in der Benefizveranstaltung. Aber die Themen gehen noch darüber hinaus. Was wollen Sie vermitteln? Ich bin sehr froh, dass wir mit Marlene Jochem eine ausgewiesene Kennerin seines Werkes für die künstlerische Würdigung seines Lebenswerkes gewinnen konnten. Roland Paul wird das Schicksal seiner Familie im Dritten Reich nachzeichnen. Ich selbst stelle den Menschen hinter dem Künstler vor. Es geht darum aufzuzeigen, warum es wichtig ist, in unserer Stadt, in der erneut neonazistische Agitation ihr Unwesen treibt und Flüchtlinge nicht willkommen sind und von manchen gerne vertrieben werden sollen, an die Vergangenheit zu erinnern. Die Kunst wird so zum Stolperstein und in dem Gebäude der VHS kommen so auch viele Menschen mit Neuer Kunst und der Vergangenheit in Berührung, die vielleicht nie ein Kunst- oder Historisches Museum besuchen würden. So sind wir wieder bei der Ausgangsfrage und unserem Bildungsauftrag angelangt. Gibt es bereits Spenden für den Ankauf der Koch-Skulptur? Bislang haben uns Spenden von 30 Bürgerinnen und Bürgern erreicht, darunter auch eine größere Spende der Stadtsparkasse. Wir sind bei knapp 8000 Euro angelangt. Wir hoffen aber, dass bei uns nach der Benefizveranstaltung noch weitere Spenden eingehen. Schließlich gilt es, als seine Geburtsstadt, würdig an diesen herausragenden Künstler zu erinnern, der mit der Pfalz zeitlebens immer noch Heimat und die Zeit der schönsten und schrecklichsten Kindheitserinnerungen verbunden hat.

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