Kaiserslautern Schon mal reingehört ins Festival

eit 2003 gibt es das Tingvall Trio nun schon; es hat sich in dieser Zeit mit sechs Plattenveröffentlichungen in die erste Liga der Klaviertrios emporgespielt und braucht inzwischen den Vergleich mit dem legendären e.s.t. des verstorbenen Esbjörn Svensson nicht mehr zu scheuen. Dabei haben sich die Herren Martin Tingvall (Piano, Schweden), Omar Rodriguez Calvo (Kontrabass, Kuba) und Jürgen Spiegel (Schlagzeug, Deutschland) ein eigenes, unverwechselbares Profil zugelegt, das auch ihre aktuelle Veröffentlichung „Beat“ aus dem Jahr 2014 prägt. Ganz klar den Ton an gibt dabei das elegische Pianospiel des Namensgebers, etwa im Titelstück. Er findet jedoch auch zur dezidierten Deutlichkeit und zu düsteren Klangballungen, ohne jedoch jemals die Eleganz seines Tons zu verleugnen. Die Nummern aus seiner Feder, die er mit Vorliebe in der Abgeschiedenheit seines südschwedischen Heimatortes Snarestad schreibt, atmen dabei allesamt die Klangschönheit des skandinavischen Jazz’, gespeist aus so unterschiedlichen Quellen wie die der Folklore oder der Klassik. Verschmelzen die heterogenen musikalischen Charaktere dabei in den zwölf Titeln der CD, so bringen sie jedoch auch kontrastierende Qualitäten ein: Calvo etwa mit dem klangsinnlich gestrichenen Kontrabass in dem latinesken „Tres bandidos“ oder Spiegel mit seinem vielgestaltigen Schlagwerkeinsatz bis hin zur indisch getönten Trommel („Cowboy“). Überhaupt springt die Liebe zum Detail, mit der manche Stücke zur klingenden Kostbarkeit mutieren, ins Auge respektive Ohr. Insgesamt also ein in den verschiedensten Klangfarben schillerndes Opus, das neugierig macht auf den ersten Jazzfestivalabend. (faro) Tingvall Trio: „Beat“; Skip-Records 2014; im Handel. ie eigentliche Qualität einer Jazzsängerin, so sagt man, zeige sich, wenn sie Standards interpretiere. Jene Songs also, die im Laufe der Jazzgeschichte tausendfach gesungen wurden. Wohl auf keine Jazzsängerin der weiteren Region trifft diese Aussage genauer zu als auf Jutta Brandl. Es gibt sogar Leute, die behaupten, wenn die ehemalige Gesangslehrerin der Emmerich-Smola-Musikschule nicht in der Pfalz, sondern in Manhattan leben würde, hätte sie mit Sicherheit die ganz große Karriere gemacht. Jutta Brandls Stimme schwimmt bei den Titeln von Herbie Hancock („Butterfly“) oder Chick Corea („Windows“, von ihr selbst arrangiert) sicher auf den verschiedensten stilistischen Wassern. Die Songs scheinen ihr förmlich auf den Leib geschrieben zu sein. Sie hat ein erstaunliches Jazzfeeling und die Fähigkeit, den Ton auf die vielfältigste Weise zu verändern und mit emotionalen Inhalten aufzuladen. Sie geht ganz auf in der Strömung der Melodie. Wobei ihre Stimme in tieferen Registern samtig, in hohen Lagen schmiegsam, kultiviert und höchst sensibel klingt. Ihre größte Stärke aber liegt im Scatgesang. Da wird ihre Stimme zum Instrument, und sie legt ihre ganze Empfindsamkeit hinein. Mit ihren Begleitern Martin Preiser am Piano Johannes Schädlich am Bass sowie Kristof Körner am Schlagzeug ist Brandl zu einer sich blind verstehenden Einheit verschmolzen. Vor allem der Pianist Martin Preiser vom Jazzbühnen-Trio, der auch am Freitagabend in der Kammgarn mit dabei sein wird, setzt Akzente und öffnet mit Subtilität und Farbenreichtum regelrechte Klangfenster für neue Perspektiven. Jazzfans sollten dieses Konzert auf keinen Fall verpassen. (fk) Jutta Brandl: „Classic Vocal Jazz“; die CD gibt’s nicht im Handel, nur auf Konzerten. bschied nehmen heißt es von der Gruppe Mo’ Blow. Sie befindet sich auf ihrer letzten Tour und ist ergo auch in Lautern wohl zum letzten Mal zu hören – kein Comeback vorausgesetzt. Und wie es sich für einen geplanten Ausstieg gehört, setzt man sich nochmal ins beste Licht und mit dem 2016er Album „Live in Berlin“ auch ein kleines Denkmal. Zehn zumeist heftig groovende Titel hat der Silberling, das Stammquartett mit Felix Falk (Saxophon, Didgeridoo und Percussion), Matti Klein (Rhodes-E-Piano), Tobias Fleischer (Bass) und André Seidel (Schlagzeug) hat sich dazu eine illustre Gästemannschaft eingeladen. Ihre soulige Altstimme lässt gleich im zweiten Titel der Scheibe, „No Particular Way“, Pat Appleton (De Phazz) erklingen. Eine ganz seltene Kombination gibt’s in „Ray“, wenn Adam Baldych seine Violine dem Saxophon an die Seite stellt. Nicht weniger interessant ist das Doppel mit Kacper Smolinskis Harp im heftig groovenden „Fried Chocolate“. Vibraphonist Franz Bauer veredelt den zurückgenommenen Titel „Along Came Mag“, und niemand Geringeres als Nils Landgren prägt mit seiner berühmten Posaune und seiner allerdings weniger berühmten Stimme (wo er doch so gern singt!) die jazzig aufgebohrte Adele-Nummer „Rolling In The Deep“. Die jazzfunkigen Titel mit ihrem bisweilen rockigen Einschlag stammen zumeist aus den Federn der Protagonisten (also auch der Gäste). Sie halten sich mit griffigen Melodien, eingängigen Harmoniewechseln und jeder Menge Groove an den Rahmen, wie ihn der Fusionableger ab den 70ern unter wesentlicher Beteiligung von Miles Davis entwickelte. Schade also, dass die mehrfach ausgezeichnete Band aufhört. (faro) Mo’ Blow: „Live In Berlin“; act-Records 2016; im Handel. it „Moody Blues“ legt die in Hamburg geborene und in Ghana aufgewachsene Jennifer Yaa Akoto Kieck alias Y’Akoto ihr zweites Studioalbum vor. Es handelt von der Dualität des Lebens. Soll man da nicht „moody“ werden, missmutig? Nein, schlecht gelaunt äußert sich die Sängerin nicht, aber im positiven Sinne launisch. Ihre Stimme ist eine Mischung aus Melancholie und Verlockung. Mal gibt sie sich erotisch, mal schnurrend wie ein Kätzchen, mal klingt ihre Stimme kehlig-negroid. In „Perfect Timing“ plädiert sie für den nachsichtigen Umgang mit den eigenen Unzulänglichkeiten, der Song „Mother And Son“ handelt von alleinerziehenden Müttern, in „Off The Boat“ geht es um das Flüchtlingsdrama an der Mittelmeerküste. Ganz stark erkennbar ist der schwarzafrikanische Einfluss. Das macht den Silberling einerseits so interessant, andererseits ist die Musik aber auch gewöhnungsbedürftig. Denn mit Jazz, wie wir ihn kennen, hat das nicht viel zu tun. Vielmehr ist die Musik eine Mischung aus Folk, Pop und Soul mit Afro-Approach, womit Y’Akoto kurzerhand ein neues Genre namens „Soul Seeking Music“ aus der Taufe gehoben hat. Die musikalische und rhythmische Begleitung ist sehr reduziert auf das Wesentliche. Dieser Rhythmus, der dem des Reggae ähnelt, ist im Grunde nur eine Farbe, die in ihrer äußeren Lässigkeit trotzdem ganz schön vitalisiert. In der Phrasierung wird auf Zügigkeit und vor allem Geschmeidigkeit Wert gelegt. Der melodische Ablauf wird „ausgeschmückt“, dadurch entsteht Spontaneität. Es lohnt sich also doch, diese CD einzulegen. Beim zweiten und dritten Hören gefällt sie immer besser. Wie das wohl im Konzert sein wird? (fk) Y’Akoto: „Moody Blues“; Warner-Music 2014; im Handel. ie ist eine Frau, die ihr Herz mit dem Messer bloßlegt, dass jeder es sehen kann“, sagte einmal ein Kenner über Bessie Smith. Ähnliches gilt wohl auch für die Tochter der berühmten Jazzsängerin Nina Simone. Die Gleichzeitigkeit von Trauer und Humor ist charakteristisch für die Stimme von Lisa Simone, die im Alter von 52 Jahren mit ihrer ersten Solo-CD ihr ausgesprochen persönliches Album veröffentlicht und schon ein bewegtes Leben hinter sich hat. Sie singt, als würde das, worüber sie singt, erträglicher, dass sie es nicht ganz ernst nimmt. Und immer ist auch Hoffnung in ihrem Jazz, Blues und Soul. Es ist schwer zu sagen, was den Zauber ihrer Stimme ausmacht. Vielleicht liegt er darin, dass ihre Härte von einer tiefen Trauer umwoben ist – selbst in den ausgelassensten Melodien. Dass diese Trauer ohne einen Schatten von Sentimentalität eben in der Härte ihrer Stimme zum Ausdruck kommt, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Vermutlich speist ihren Blues das Andenken an ihre Mutter, die den Blues einmal als „rassisches Gedächtnis“ bezeichnet hat. So sind manche Songs, wie der Titeltrack „All Is Well“, „Revolution“ oder „Take It To The Father“ voluminös und von schneidender Schärfe. Andererseits scheint ihre Stimme tief verwurzelt in der afroamerikanischen Erde, weil sie die Modulation in der heimischen Gospelkirche gelernt hat. Siehe das großartige „Suzanne“. Emotionale Wirkung zeigt Lisa Simone besonders auch, wenn ihre Stimme, wie in der Nummer „Lullaby“ und dem Standard „Autumn Leaves“, samtweich klingt. Begleitet wird sie von Hervé Samb (Gitarre), Reggie Washington (Bass) und Sonny Troupé (Schlagzeug). Die CD gehört in jeden Plattenschrank. (fk) Lisa Simone: „All Is well“; Edel-Records 2014.

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