Kaiserslautern Schlussapplaus

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Mit Ende dieser Spielzeit gibt Claus Peymann, dann 80, nach 18 Jahren die Intendanz des Berliner Ensembles ab. Die Abschiedsvorstellung hat er schon jetzt mit der Premiere seiner letzten Inszenierung am eigenen Haus gegeben: „Prinz Friedrich von Homburg“ von Heinrich von Kleist.

Als Claus Peymann 1999 das traditionsreiche Theater – weltberühmt geworden in den 1950er Jahren als Bertolt Brechts „Berliner Ensemble“ (BE) – übernommen hat, warf er vollmundig mit großen Worten um sich. Am bekanntesten, das BE wolle unter seiner Führung „ein Stachel im Arsch der Mächtigen sein“. Daraus ist nichts geworden. Schon Ende 2012 bekannte er, aus dem Stachel sei „ein Gewährenlassen geworden“. Darüber wäre er traurig und sehe seine Arbeit in Berlin in diesem Sinne auch als gescheitert an. Blickt man auf die Zuschauerzahlen, kann von Scheitern nicht die Rede sein. Peymann hat die Massen angezogen. Das gelang ihm überwiegend mit soliden Aufführungen, selten mit revolutionären, aber auch nie mit geistlosen. Nun also „Prinz Friedrich von Homburg“. Und, wie traurig: Man möchte als Kritiker nur den Mantel des Schweigens ausbreiten. Dabei beginnt der Abend mit einem schönen Einfall: der Prinz (verkörpert von dem vor einigen Jahren durch den Spielfilm „Ludwig II.“ bekannt gewordenen Sabin Tambrea) schlafwandelt, wie ein Seiltänzer, auf einem Laserstrahl, der über dem Parkett und der Bühne flirrt. Man meint, jetzt hebt das Theater ab. Doch es wird dröge, altbacken, staubtrocken. Ausstatter Achim Freyer hat die Bühne karg schwarz-weiß gehalten. Da sagen die Akteure, schwarz-weiß gekleidet wie Statisten der russischen Revolution, ihre Texte mit viel Pathos auf, mit heftigen Gesten, schreien gern, wenn’s ans Eingemachte geht, staksen. Sie alle wirken nicht wie Aristokraten, Militärs, nein, sie bewegen sich meist wie tumbe Toren. Das stimmt weder sozial noch psychologisch. Und es langweilt, weil Claus Peymann das Stück abspulen lässt, keine Lesart anbietet, keine Welt hereinholt. Dafür kommt’s am Ende knüppeldick: Die Hippie-Hymne „If You Want to Sing Out, Sing Out“ von (damals noch) Cat Stevens ertönt, das Darsteller-Ensemble wankt in Zeitlupe, der Prinz und seine Geliebte Natalie kommen zu Tode. Endlich eine Deutung: Die Figuren sind nichts als Kanonenfutter. Da aber ist es zu spät, um den Abend noch spannend zu machen. Es drängt sich der Verdacht auf, Claus Peymann wolle am Ende, trotzig wie ein Kind, noch einmal all die Kritiker abwatschen, die ihm in den letzten Jahren häufig vorgeworfen haben, er biete museales Theater an. Ja, es geht auch ohne Video, ohne nackte Tatsachen, dem Dichter vertrauend. Doch in diesem Fall muss eine Deutung sein. Denn das Stück ist durch den Missbrauch von den Nazis belastet. Sie haben es als Lob auf unbedingten Gehorsam, auf Disziplin-bis-in-den-Tod, gedeutet, gefeiert und ausgebeutet. In Erinnerung bleiben wird Claus Peymann mit anderen Arbeiten, etwa mit seinen Tabori-Inszenierungen, damit, dass er erst jüngst das Bühnen-Comeback von Volker Braun befördert hat, durch seine Auseinandersetzungen mit Shakespeare-Werken. Da hat er sich oft als wacher Künstler positioniert, als Mann, der im Theater Welt spiegelt. Und, ja, er hat zur Freude vieler Besucher immer wieder darauf gepocht, ohne Firlefanz auszukommen, den Geist des jeweiligen Dichtertextes zum Leuchten zu bringen, Schauspielern Gelegenheit zu geben, zu brillieren. Das wird bleiben. Bleiben werden auch so manche lautstarken Peymann-Posen in der Öffentlichkeit, bewusst kalkulierte Brachialauftritte, wenn es darum ging, seine Ziele als Intendant durchzusetzen, sei es im Clinch mit der Lokalpolitik. Oder mit dem Dramatiker Rolf Hochhuth, seit 1996 über die nach seiner Mutter benannte Ilse Holzapfel-Stiftung Herr des Grundstücks auf dem das Berliner Ensemble sein Domizil hat. Amüsanter als Peymann ist wohl nie ein anderer Intendant medienwirksam in Erscheinung getreten. Ein Theater-Zampano, ein kompromissloser Kämpfer für die eigenen Ziele. Die letzte selbst verantwortete Premiere zu seinem anstehenden Abschied als Intendant, künstlerischer Leiter, Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Berliner Ensemble GmbH hat er denn auch entsprechend genutzt. Zum Schlussapplaus beherrschte er die Bühne mit Aplomb: Er verbeugte sich nicht einfach, nein, er offerierte große Gesten, schmiss die Hände in die Luft, rang sie, schlug sie sich in gespielter Verzweiflung vors Gesicht, fiel gar vor seinem Prinz von Homburg, Sabin Tambrea, auf die Knie. Da hat Claus Peymann denn noch einmal wirklich ganz großes Theater hingelegt. Termine Prinz Friedrich von Homburg Am 24. Februar, 9. und 23. März. Info: www.berliner-ensemble.de

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