Kaiserslautern Sandpapierstimme, Soulmänner und Soundberge

„Sing mit Ron Williams & Bryan S. Dyer“: Das war weit mehr als ein Konzert, das war ein Manifest gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und für mehr Menschlichkeit und Empathie. Die 450 Besucher in der Landstuhler Stadthalle, darunter Flüchtlinge aus Somalia, Eritrea und Syrien, waren bei den Gospel-, Soul- und Popsongs der beiden Weltstars begeistert. Aber auch der Projektchor, zusammengestellt aus Sängerinnen und Sängern der Kreischorverbände Brücken und Kaiserslautern, zeigten am Samstagabend eine großartige Leistung.

„Wir brauchen den Gospelsänger mit seinen Liebesbotschaften, wir brauchen den Soulman, der unser Herz voll im Griff hat mit Geschichten von Liebe und Schmerz.“ Dieses Zitat von Gregory Porter stand über dem Projekt, das auch drei Songs aus Ron Williams’ Musical „Martin Luther King – The King of Love“ beinhaltete. Wie dieser Pastor, so darf man auch den durch Funk und Fernsehen sowie durch unzählig viele Bühnenshows bekannten Williams mit Fug und Recht als Synonym für das moderne Amerika, den tief verwurzelten Freiheitswillen und die Kraft der Demokratie bezeichnen. Der 73-Jährige kennt wohl kein Verfallsdatum. Bei seiner „Tour für Toleranz“ turnte er auf der Bühne herum wie ein Jungspund, erläuterte in seinem lockeren Stil die Hintergründe jedes Songs, und die Stimme war einfach mitreißend. Seine Sandpapierstimme behandelte er wie ein Instrument. In seine Songs trug er immens viel Intensität hinein, wobei seine bis in Wolkenkratzerhöhe übersteigerte Bruststimme gespenstisch immateriell klang, immer wieder aber auf den Boden seiner handfesten Blues-Tradition zurückfand: mit Scat- und Sprechgesang. Der 65-köpfige Projektchor bestand seinen Auftritt, trotz relativ kurzer Vorbereitungszeit inklusive eines Workshops, mit Bravour. Unter Leitung von Bryan S. Dyer, der als Stimm-Coach weltweit unterwegs ist, türmte er im Hintergrund regelrechte „Soundmauern“ auf. Damit gaben die Sänger Nummern von Curtis Mayfield, Stevie Wonder, Ray Charles, Michael Jackson oder Frozen ein Soul-Rückgrat, indem sie Gospellaute skandierten, die oft frappierend sinnlich klangen. Ihr intensiver Vortragsstil, die breitgefächerten Harmonien, die starke rhythmische Akzentuierung rissen das Publikum immer wieder zum Mitklatschen mit. Dyer hatte dabei seine Sänger voll im Griff. Mit hocherhobenen Armen trieb er sie zu noch mehr Expressivität an, wenn er die Arme ausbreitete und mit den Händen vibrierte, hielten sie das Schlussritardando extrem lange aus. Mit spannungsreichen Kontrapunkten, faszinierenden Klang-Konstruktionen des musikalischen Leiters und Pianisten Matthias Stoffel, unentwegt pulsendem Bass von Sven Sommer und kaleidoskopartig wirbelnden Gitarrensounds von Jörg Teichert begleitete effektsicher die siebenköpfige Band. Eine heiße Kanne spielten dazu Helmut Engelhardt und Volker Kaufmann auf dem Saxofon mit blitzenden, wie gemeißelt in den Flageolett-Bereich schießenden Linien. Mit verblüffender Leichtigkeit und Sicherheit agierte Thomas Feid auf der Trompete, während Dominik Lauer auf dem Schlagzeug einen komplexen Rhythmusteppich lieferte. Immer wieder wusste auch der Saxofonist Waldo Weathers zu begeistern. Sein knallroter Anzug war allerdings noch heißer als sein Spiel. Bei Songs wie „Take Me To Church“ von Hozier begeisterte auch Julian Williams, Sohn von Ron Williams und Enkel des legendären Tenors Fritz Wunderlich, mit expressiver, flexibler Stimme und schauspielerischem Talent. Mit herrlichen Stimmen und Bluesfeeling konnten sich auch Jessica Schöfer (in „Man In The Mirror“ von Michael Jackson), Christine Braun (in „Happy“ von Pharrell Williams), Megan Exner-Brown (in „Love Is An Open Door“ von Frozen), Sabrina Roth (in „You’ve Got A Friend“ von Carole King) und Charlotte Spitzer (in „Glory“ von John Legend) solistisch profilieren. Mit „The Dream Is Still Alive“ aus Ron Williams’ Musical endete das Konzert, wobei sämtliche Beteiligte auf der Bühne ein wahres polyrhythmisches, pyrotechnisches Feuerwerk entfachten. Die begeisterten Zuhörer riss es von den Stühlen in der Stadthalle. Stehend forderten sie eine Zugabe heraus. Hervorzuheben sind insgesamt Matthias Stoffel, der musikalische Leiter des Projekts, aus dessen Feder die Arrangements und Transkriptionen für Chor und Band stammen, sowie dessen Schwester Angelika Rübel, Kreischorleiterin im Sängerkreis Brücken und stellvertretende Verbandschorleiterin im Chorverband Pfalz, die zusammen mit der Jugendreferentin des Chorverbands Brücken das Projekt aus der Taufe gehoben hat.

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