Kaiserslautern Ritterdämmerung

Die Westpfalz kennt „ihren“ Franz von Sickingen als Herrn von Burg Nanstein über Landstuhl. Die Nordpfalz bringt ihn vor allem mit der Ebernburg in Verbindung. Ein wenig Ritterromantik da, ein Stück Reformationsgeschichte dort – und eine Büste in der Walhalla, der Ruhmeshalle bedeutender „Teutscher“ in Donaustauf. Das Mainzer Landesmuseum hat jetzt „Sickingen“-Schnipsel zusammengeführt und in ihren zeitgeschichtlichen Hintergrund eingepasst. Das Ergebnis: eine spannende kulturhistorische Ausstellung.

Ein eiserner Ritter auf hölzernem Pferd vor bewegtem Schlachtgetümmel bewacht den Eingang. Dieser erste Eindruck führt ein wenig in die Irre, denn auf 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche, also auf recht beschränktem Raum, werden komplexe historische Zusammenhänge dargestellt und gekonnt bebildert. Aus einem Guss ist das Raumerlebnis leider nicht. Der Lauf der Geschichte zwischen Verkündung des Ewigen Landfriedens 1495 mit dem Fehdeverbot durch den Habsburger Maximilian I., dem Tod Franz von Sickingens am 7. Mai 1523 auf Burg Nanstein und seiner späteren Vereinnahmung durch die deutsch-nationale Bewegung im 19. Jahrhundert wird unterbrochen vom langen Weg, der vom einen in den anderen Seitenflügel des Museums führt. Der nicht optimalen Raumsituation zum Trotz und obwohl das Landesmuseum über keine große Erfahrung mit kulturhistorischen Ausstellungen verfügt, ist hier in Zusammenarbeit mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität und der Generaldirektion Kulturelles Erbe eine veritable Landesausstellung entstanden, die zudem Ausstrahlung über die Landesgrenzen hinaus besitzt: der Beitrag des Landes Rheinland-Pfalz zur Luther-Dekade und zum Reformationsjubiläum 2017. Es geht nicht nur um den rebellischen Ritter, der einerseits das geltende Fehdeverbot ignorierte und gegen Kaiser wie Fürsten zog, auf der anderen Seite auf seiner Ebenburg humanistischen Denkern und Reformatoren wie Martin Bucer oder Ulrich von Hutten Zuflucht bot. Letzterem ist die Bezeichnung „Herberge der Gerechtigkeit zu verdanken“ für die Burg am Zusammenfluss von Nahe und Alsenz, auf der Franz von Sickingen 1481 geboren wurde und sein Burgkaplan Johannes Oekolampad 1522 eine der ersten Predigten in deutscher Sprache hielt. Dieser Sickingen mag eine schillernde Gestalt gewesen sein, ein Mann von geringer Körpergröße und umso größerem Aufstiegswillen: Durch ihn wurde der deutsche Südwesten zu einer Keimzelle der Reformation. Nur Martin Luther zog dem Schutz des ungestümen Ritters von der Ebernburg jenen auf der Wartburg durch den einflussreicheren Kurfürsten Friedrich III. von Sachsen mit dem Beinamen „der Weise“ vor. Verständlich, liest man einige der Leitsprüche auf den ausgestellten „Sickingen“-Bechern: eine Fußschale und sieben Stapelbecher aus Silber, teilvergoldet. „Aus dem im Kriegsdienst Erbeuteten hat mich Franz von Sickingen machen lassen“, steht auf dem einen eingraviert. „In der äußersten Not soll man wagen und handeln, nicht lange überlegen“ auf einem andern. Diese um 1519 in einer Speyerer Werkstatt hergestellte Goldschmiedearbeit gehört zu den raren persönlichen Hinterlassenschaften Sickingens. Eine weitere, wenig sympathische ist auch der „Pfeilbrief“, mit dem er die Bevölkerung der belagerten Stadt Trier 1523 auf seine Seite ziehen wollte: Bekanntlich war der Fehdezug gegen den Bischof von Trier sein letzter, mit tödlichem Ende. Was also ausstellen? Die von den Kuratoren getroffene Auswahl an Originaldokumenten und Objekten aus der Epoche des Übergangs zwischen ausgehendem Mittelalter und beginnender Neuzeit kann sich sehen lassen: Prunkrüstungen, die nicht starr im Raum stehen, sondern, umgeben von originalen Schriften und Illustrationen oder von stark vergrößerten Details daraus, in die Welt des Rittertums und seiner Turniere führen. Die Chronik des Sickingen-Schwagers Philipp von Flersheim berichtet davon ebenso wie ein Holzschnitt mit der Darstellung eines Turniers in Wittenberg vom älteren Lucas Cranach, jenes Cranach, der später half, das Bildnis Martin Luthers und der Reformation zu verbreiten. Dass diese Reformation auch ein „Medienereignis“ war und Verbreitung nicht zuletzt durch Flugblätter fand, muss in der Gutenberg-Stadt Mainz selbstverständlich Erwähnung finden. Zum Gedruckten gehörten aber auch Schmähschriften und Karikaturen – von Sickingen-Freunden wie Gegnern –, die es an Schärfe und Häme mit späteren durchaus aufnehmen können. Der rote Faden in diesem Ausstellungsgeflecht zwischen Sickingen und Luther, zwischen Rittertum und Rebellion, geht nicht verloren. Im Gegenteil: eine weitere Schleife zu den ritterschaftlichen Reformationen in Polen-Litauen, Böhmen und Siebenbürgen verleiht dem Ganzen eine europäische Dimension und zeigt zudem, wieviel tolerantes Miteinander ohne „Haudraufs“ wie Sickingen möglich war. Die Ausstellung „Ritter! Tod! Teufel? Franz von Sickingen und die Reformation“, bis 25. Oktober im Landesmuseum Mainz, dienstags 10-20 Uhr, mittwochs bis sonntags 10-17 Uhr; Katalog (Schnell & Steiner) 29,90 Euro; www.landesmuseum-mainz.de

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