Kaiserslautern Puhdys, das war es

Am 19. November 1969 gaben sie ihr erstes Konzert. Heute, 22 Millionen verkaufte Tonträger und über 4000 Konzerte später, sind die Puhdys Kult. Sie gelten als wichtigste Band Ostdeutschlands, füllten aber auch schon zu Beginn der 80er Jahre westdeutsche Konzertsäle. Doch jetzt soll Schluss sein – die Puhdys sind auf Abschiedstournee. Am Freitag waren sie in Ludwigshafen, am Samstag in Zweibrücken.

„Der Abschied ist endgültig“, sagt der Keyboarder und Saxofonist Peter Meyer, mit 74 Jahren der Senior der Band. Einen Abschied vom Abschied, wie es bei den Scorpions und vielen anderen Bands zu erleben ist, werde es nicht geben, sagt der Mann, der noch vor eineinhalb Jahren versicherte: „Wir hören nicht auf, denn wir haben uns noch einiges vorgenommen. Es ist wie mit den Jahreszeiten, nach dem Winter kommt der Frühling“. Sich nun ganz von der Musik verabschieden, kann sich Meyer jedoch nicht vorstellen, wohl aber von dem Traum, mit den Puhdys einmal im Vorprogramm der Rolling Stones aufzutreten. Wie die musikalische Zukunft aussehen könnte, zeigen bereits seine Kollegen Dieter „Maschine“ Birr, der gerade eine Autobiografie und eine Solo-CD vorgelegt hat, und Dieter „Quaster“ Hertrampf, der ebenfalls eine eigene CD aufgenommen hat. Pfälzisch hat man kaum gehört bei dem Konzert in Zweibrücken. Trotz aller Erfolge, die die Puhdys im Westen hatten, waren sie vor allem die Lieblingsband vieler Menschen, deren Wiege in Sachsen, Brandenburg oder Ost-Berlin stand. Und die kamen wie zu einem Klassentreffen nach 30 Jahren. Mit glänzenden Augen und textsicher beim Mitsingen von Gassenhauern wie „Hey, woll’t ihr die Eisbärn seh’n“, „Alt wie ein Baum“, „Rockerrente“, „Wenn ein Mensch lebt“ oder „Ohrwurm“. Im Gegensatz zu vielen anderen ostdeutschen Bands haben die Puhdys die Wende unbeschadet überlebt, haben sich nicht auf der Ostalgiewelle treiben lassen, sondern sich kreativ weiter entwickelt und damit auch im Westen Fans gewinnen können. Clever war insoweit sicher auch die Trennung 1989. Als sich die Band 1992 wieder zusammenfand, war das wie ein Neuanfang – obwohl die Puhdys nie ganz den „Geruch“ der Ostband ablegen konnte, der er ihr wie den meisten anderen Bands aus dem Osten Deutschlands im Westen anhaftete – gerade so, wie die westdeutschen Kollegen im angloamerikanischen Musikbetrieb der 60er und 70er Jahre als „Krautrocker“ belächelt wurden. „Die Musik in der DDR ist nicht anders gewesen, als im Westen“, erinnert sich Peter Meyer, „Nur die Inhalte waren unterschiedlich, wir durften im Osten eben nicht alles sagen und singen. Deshalb sind die Ohren der Zuhörer darauf geeicht gewesen, zwischen den Zeilen zu hören.“ So enthielten die Texte je nach Standpunkt des Hörers entweder gar keine Wahrheit oder gleich mehrere: „Alt wie ein Baum“ musste man schon werden, um die DDR als Rentner verlassen zu dürfen. Und „Geh zu ihr und lass deinen Drachen steigen“, wurde nur von Naiven wörtlich genommen. Dieses „zwischen den Zeilen“ lesen, war nicht die Sache der Hörer im Westen. In der „Süddeutschen Zeitung“ verstieg sich daher ein Kritiker zu dem Verriss: „Wo Reime gewürgt werden, bis sie sich fügen, wo eckige Aussagen vor glatter Form stehen, da sind die Puhdys zu Hause“. Die Kompositionen der Band waren zumeist domestizierter Hardrock in Anlehnung an britische Vorbilder, erfuhren aber mehr und mehr eine eigene Handschrift, so dass die künstlerische Integrität der Gruppe nie außer Frage stand. Und im geschickten Umgang mit der Staatssicherheit hatten es die Puhdys geschafft, einen Spagat zwischen der stets drohenden Zensur und zwar nicht offen gesellschaftskritischen, aber gesellschaftsprägenden Texten hinzulegen. So hatten es die renitenten Muster-Ossis geschafft, in sieben Defa-Filmen und Fernseh-Produktionen mitzuwirken, in 20 Ländern Konzerte zu geben und zwölfmal zur beliebtesten Rockband der DDR gewählt zu werden. Musikalische Umbrüche im Westen wie Punk und New Wave brachten die Nationalpreisträger nur wenig aus der Ruhe. „Computer Karriere“ nannten sie 1983 ihr neues Album, auf dem sie vorsichtig mit aktuellen Klängen und etwas zeitgemäßeren Texten experimentierten. Als der „Stern“ unter Berufung auf die Gauck-Behörde enthüllte, dass Peter Meyer Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen war, wiegelte der einstige Chef der Sektion Rockmusik beim DDR-Komitee für Unterhaltungsmusik ab: „Das mag ein Fehler gewesen sein“, so Meyer. „Wichtig aber war der Effekt. Wenn es Probleme bei uns gab, oder auch bei anderen Kollegen, sprach ich mit den Leuten vom Zentralkomitee, dem Kulturministerium oder eben mit der Stasi. Ich habe aber niemanden angeschissen“. Zu der Zeit hatte sich bei der DDR-Führung aber schon mit der Rockmusik abgefunden, nachdem Mitte der 60er Jahre noch alle Rockgruppen verboten wurden, und die Bemühungen, eine Alternative zu basteln, fehlgeschlagen waren. Selbstgemachte Lieder waren jedoch Voraussetzung für Produktionsmöglichkeiten für Funk, Fernsehen und Schallplatten – und da hatten die Puhdys stets ein glückliches Händchen. Dass sie nun in „Rockerrente“ gehen wollen, nimmt man ihnen, auch wenn sie bereits jenseits des gesetzlichen Rentenalters sind, nicht ab. Sie wären nicht die erste Musiker, die im hohen Alter noch einmal zusammenfinden. Doch dann hoffentlich nicht nur, um noch einmal am eigenen Erbe zu verdienen, oder von cleveren Managern dem sensationslüsternen Publikum vorgeführt zu werden.

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