Kaiserslautern Posieren auf der Genussschiene des Lebens

Mit Max Liebermann und Lovis Corinth gehört er zu den Großen des deutschen Impressionismus, in der Pfalz ist Max Slevogt so etwas wie ein lieber Heimatmaler. Nun eröffnet das Landesmuseum Mainz die dritte Slevogt-Ausstellung dieses Jahres. Sie heißt „Neue Wege des Impressionismus. Ein deutscher Impressionist – und wie er es wurde“ und zeigt zum ersten Mal Studien und Skizzen aus dem in den letzten Jahren bearbeiteten Atelier-Nachlass des Malers. Aber wie neu ist der neue Slevogt wirklich?

Keine Angst, es ist der alte, wozu auch die vielen Leihgaben aus der Max Slevogt-Galerie auf Schloss Villa Ludwigshöhe beitragen. Das hält die Überraschungen etwas kleiner. Von dort kommt auch das berühmte Doppelporträt, gemalt 1904 in den frühen Berliner Jahren. Da sieht man den Maler und seine Frau auf dem Weg zum Bal paré. Sie in großer Toilette, rüschenumspielt und ein bisschen von oben herab. Der Maler als Assistenzfigur diskret hinter ihr hervorlugend. Spielt etwa Ironie mit bei diesem donnernden „Wir haben es geschafft“-Auftritt? Oder wähnt das nur der nüchterne Blick des Betrachters, mehr als 100 Jahre Kunstgeschichte später? Wie auch immer, es bleibt festzuhalten, dass man auch mit Pfälzer Bodenhaftung den Großbürger geben kann, und diese Rolle war dem vitalen Max Slevogt (1868 bis 1932) wie auf den Leib geschrieben. Denn so lieben wir ihn: als Augenmenschen und Fabulierer, als souveränen Koloristen und schönheitstrunkenen Zeitgenossen. Slevogt war alles andere als der Hinterwäldler mit der begabten Malfaust. Er hatte in Paris und München gelernt, malte sich dann zielstrebig durch Historienbild, Genre, Milieustudie und Gesellschaftsporträts ganz im Sinne des aufgeklärten Bürgertums des späten 19. Jahrhunderts. Selbst eine kurze symbolistische Phase brachte er erfolgreich hinter sich. Das alles ist in Mainz eher knapp bebildert, unter anderem mit der „Ringerschule“ und dem Triptychon vom „Verlorenen Sohn“. Seit 1901 lebten die Slevogts in Berlin. Da war es dann bald vorbei mit dem „Parfüm des Münchner Faschings“ (Julius Meier-Graefe) und der Weg zum Malerfürsten stand offen. Schon 1898 war Slevogt mit den „Blühenden Kirschbäumen auf Neukastel“ der Durchbruch zu einer sehr persönlichen Version des Impressionismus gelungen. Manet bleibt das lebenslange Idol, immer wieder lässt er Erinnerungen an Monet, Renoir, auch Pissarro anklingen. Slevogt ist kein Nachahmer, sondern ein instinktsicherer Virtuose der mit locker-leichter Hand hingeworfenen Improvisation, die sich auf berückende Weise in seinen späten „sur le motif“ gemalten Landschaften bewährt. Die auf drei Räume verteilte Ausstellung ist mit etwa 85 Gemälden nach heutigen Maßstäben eher mittelgroß, kann aber mit 140 grafischen Blättern, vor allem mit dem grandiosen Skizzenbuch aus dem Nachlass-Archiv erstmals einen wahrhaft großen Schatz heben. Da ist es leicht zu verschmerzen, dass es eben nicht der ganze Slevogt sein kann, die Illustrationen und die Bilder der Tunisreise bewusst ausgeklammert wurden. Stillleben, Porträts, Landschaft, auch Tiere stehen auf der Agenda der Schau. In allen Abteilungen ist der Maler als reizbares und lebensfrohes, der bürgerlichen Behaglichkeit sehr zugeneigtes Temperament zu entdecken. Slevogt kommt mit überraschend wenig Pathos aus, selbst die um das Stuttgarter „Champagnerlied“ gruppierten Andrade-Bilder und -zeichnungen sind Zeugnisse eines nicht ganz allürenfreien Posierens auf der Genussschiene eines festlich gesteigerten Lebens. Das schließt zeitweise Anfälle von malerischer Routine und bloß gekonnt Gemachtem nicht aus. Will sagen, auf etliche Bilder der Auswahl hätte man gut und gerne verzichten können. Der Slevogt-Liebhaber wäre gut beraten, sich auf bestimmte Werkblöcke zu konzentrieren, die als Psychogramme lesbaren Selbstbildnisse etwa, die Bilder von Frau Nini als Dauermodell, vor allem aber auf die gewichtslos dem Wechsel der Tages- und Jahreszeiten folgenden Natur- und Landschaftsbilder rund um Neukastel, dem Familien-Sommersitz bei Leinsweiler: Bilder, die ihre Epoche überdauern. Obwohl im Katalog erstmals Slevogts Texte zur Kunst abgedruckt sind, wird man den Maler kaum unter die Theoretiker zählen. Auch nicht unter die Denker und konsequenten Stilisten, eher als fast triebhaft von seinem Metier besessenen Künstler, dem in seinen besten Augenblicken mühelos zufällt, wonach andere vergeblich streben: die Einheit von Malerei und Illustration. Slevogts auf ein wolkenloses Dasein abgestelltes ästhetisches Programm lässt Ausflüge in die bittere Wirklichkeit nur punktuell zu (davon berichtet zeitgleich die dem „Schlachtenmaler“ Slevogt gewidmete Kabinettausstellung auf Schloss Villa Ludwigshöhe). Eine befriedete Welt, nicht die geschändete des Ersten Weltkriegs soll es sein. Nur ihr, so scheint es, mag er beikommen mit seiner Kunst der Flecken und Schlieren, der scheinbar spontan gesetzten Farbe, der großzügigen, keiner Systematik verpflichteten Pinselattacke und einer fließenden, lässig den Augenblick feiernden Lebendigkeit, die mit der Spitzmarke „Impressionismus“ allenfalls notdürftig zu fassen ist. „Das Auge sieht, was es sucht“, schreibt Slevogt 1928, „und was es nicht versteht, sieht es nicht.“

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