Kaiserslautern Ohne Verfallsdatum

Zwischen dem Berliner Tempodrom, der Alten Oper Frankfurt und der Hamburger Laeiszhalle legte US-Gitarrenlegende Pat Metheny am Dienstagabend einen Stopp in Kaiserslautern ein. Zwar war das Kulturzentrum Kammgarn – im Gegensatz zu manch größerer Spielstätte – nicht ausverkauft. Doch ließ sich der 59-jährige Saitenzauberer davon nicht die Laune verderben und absolvierte ein rund dreistündiges Konzert – ohne Pause – vor begeistertem Publikum.

Das derzeit viel diskutierte Mindesthaltbarkeitsdatum hat Pat Metheny für sich schon lange abgeschafft. Wo andere schon an Rente denken, ist der 20-fache Grammy-Preisträger noch immer im Ringelschlabberhemd und mit wilder Hippiemähne unterwegs und traktiert seine Saiten mit einer Spielwut wie vor Jahrzehnten. Einen Streifzug durch sein musikalisches Universum hat er sich zusammen mit seiner Unity Group auf der aktuellen Tour vorgenommen. Erst nach einer Stunde Spielzeit wendet sich der Meister auch verbal an sein Publikum und kündigt Nummern seines aktuellen Albums „Kin“ an. Bis dato hatte das Publikum im gut besuchten Großen Haus der Kammgarn eine längere solistische Einleitung und in der Folge den wie geschmiert laufenden Fusion-Jazz der Unity Group erleben können. Die wesentlichen Bestandteile der Methenyschen Klangwelt waren darin schon enthalten: Unisono mit dem Saxofon vorgestellte, handliche Themen, weitgefasste solistische Durchführungen inklusive Steigerungen, die bis in atonale, bruitistische Verdichtungen führen, immense dynamische Wallungen sowie eine erstaunliche Variabilität der Stimmungen von balladesk bis (jazz-)rockigem Geballer. Und auch die neuen Titel, oft komplex und beinahe ausufernd angelegt, leben von diesen Elementen. Wobei Metheny vor allem im Verein mit Saxofonist Chris Potter, der daneben auch Bassklarinette, Querflöte und sogar Gitarre spielt, zu improvisatorischen Höhenflügen abhebt. Selten verlieren sich diese im allzu artifiziellen Virtuosentum. Meist wandeln Metheny und seine Musiker geschickt auf dem Grat zwischen Konstruktion und Klangsinnlichkeit. Und wenn es dann tatsächlich mal zu verkopft, zu abstrakt, zu freejazzig abgefahren wird, belohnt der Klangzauberer sein Publikum mit wunderschönen Balladen, mit zarten Lyrismen, die ihresgleichen suchen. Dass insbesondere die Stücke aus den 1980er Jahren einen enormen melodischen Reiz haben, wird im dritten Abschnitts des Mammutkonzerts deutlich. Sie leben von beinahe popjazzigen Qualitäten und werden vom Publikum begeistert gefeiert. An das Format der legendären Pat Metheny Group mit Lyle Mays und Steve Rodby knüpft hier die erst seit zwei Jahren bestehende Unity Group an. Potter pflegt einen aufgeweckten, quirligen Saxofonton, der niemals aufdringlich wirkt. Flinkfingrig begleitet Ben Williams auf Kontra- und E-Bass und findet im Konzertverlauf auch zu solistischem Profil. Antonio Sanchez punktet mit treibenden und vertrackten Rhythmusgeflechten und Neuzugang Giulio Carmassi mit Stimme und multiinstrumentalistischen Einlagen. Über allem schwebt der trotz seiner Variabilität unverwechselbare, fließende Gitarrenton Methenys, dem man noch Stunden lang lauschen könnte – ach was: Jahrzehnte lang. Ein Klang ohne Verfallsdatum eben.

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