Kaiserslautern Musik, Theater, Akrobatik

Kaiserslauterns große Freiluftveranstaltung ging am Wochenende in die neunte Runde. Das „Alles muss raus!“-Festival der Lebenshilfe Westpfalz und der Lebenshilfe gGmbH Kunst und Kultur zusammen mit der Stadt und dem Kultursommer Rheinland-Pfalz ließ mal wieder keine kulturellen Wünsche offen. An drei Tagen lud das spektakuläre Straßentheaterfestival zu einem bunten Programm mit Musik, Theater und Akrobatik. Tausende Kaiserslauterer folgten dem Ruf und ließen sich von den unterschiedlichen Darbietungen begeistern.

„Gelebte Inklusion“ und „Ein Fest der Freude“: So wurde das „Alles muss raus!“-Festival bei seiner Eröffnung am Freitag in der Fruchthalle von den Organisatoren genannt. Ein Rundgang durch die Innenstadt am darauffolgenden Samstag bewies, dass es noch weitaus mehr ist als das. Es ist ein Fest der einzigartigen und inspirierenden Begegnungen, ein Fest für die Gemeinschaft und Individualität, ein Fest, das Mut, Eifer und Kreativität feiert, und vor allem ein Fest, bei dem Besucher und Akteure ein großes gemeinsames Ziel verfolgen: Das Überschreiten von kulturellen, nationalen und körperlichen Grenzen – ja sogar die Grenzen der Schwerkraft wurden teilweise überwunden. 20 Ensembles, 200 behinderte und nicht behinderte, nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler, und zahlreiche kuriose wie atemberaubende Bilder machten Kaiserslautern für drei Tage zur kulturellen Metropole. Die Stadt wurde zum bunten und chaotischen Menschenwirrwarr, bei dem aus jeder Ecke die nächste Attraktion auftauchen konnte. Einer dieser überraschend auftauchenden „Walk-Acts“ war der kleine Wanderzirkus des Theaters Paspartout. Mitten durch die Menschenmassen in der Marktstraße versuchte der betagte Dompteur Vincent seinen neugierigen und frechen Dickhäuter Rudi zu bändigen und davon abzuhalten, sich auf der Suche nach Futter durch sämtliche Bäckereien zu schlemmen. Am Platz vor der Stiftskirche angekommen, ließ das sympathische Duo auch mal das Tanzbein schwingen und kühlte die umstehenden Besucher mit Wasserspritzern frisch aus dem Elefantenrüssel ab – durchaus willkommen bei dem schwülen Klima. Ein herrliches und täuschend echtes Kostümtheater von seiner schönsten Seite. Auf dem Weg zum Stiftsplatz, wo gerade die Tanzcompagnie Tango Sumo komplexe, temporeiche Choreographien vorführte, stolperten die Passanten über ein seltsames Stehaufmännchen mit kugelrundem Unterkörper. Monsieur Calbuto hieß das wortkarge Geschöpf, das sich über jeden menschlichen Kontakt freute. Mit sehnsüchtigem Blick bat der menschliche Kegel um eine Handreichung, die ihn aus der Balance brachte und in kreisende Schwingungen versetzte. Dabei geriet er auch mal so stark aus der Balance, dass er reglos auf dem Boden liegen blieb, bis ihn ein freiwilliger Helfer aus dem Publikum wieder aufrichtete und in Bewegung brachte. Ein großer Spaß vor allem für die kleinen Besucher. Ständig in Bewegung waren auch die umherstreifenden Schlafwandler des „Hijinx“-Theaters aus Großbritannien, denen jeder Ort recht war für ein kleines Nickerchen – ob Getränkestände, Laternenpfähle oder die Schulter eines nichtsahnenden Besuchers. Erst der rappelnde Wecker riss die Truppe wieder aus ihrem Tiefschlaf. Nicht zu überhören war auch das musikalische Treiben vor der Stiftskirche. Seien es die adretten Residual Gurus, zu deutsch „Restmüll-Gurus“, aus Barcelona, die auf ihren Instrumenten, speziell angefertigt aus den Beständen der Mülldeponie, schräge und spirituelle Töne fabrizierten oder die entschlossenen Demonstranten der „Theater im Dorf“-Truppe, die mit Schildern, Plakaten und Megafon verkündeten, wofür sie auf die Straße gingen und auch den unwilligsten Besucher zum gemeinsamen Protest-Volkstanz mitzogen. Das absolute Glanzlicht im Abendprogramm war das sensationelle Luft-Spektakel der Gruppe Transe Express aus Frankreich. „Mobile Homme“ nannte sich die sensationelle Inszenierung in schwindelerregender Höhe. Mit Trommelschlägen und Fanfaren marschierten die Zinnsoldaten durch die Menschenmenge und schwangen sich anschließend mittels eines Krans empor in die Luft. Dort trommelten sie in strammer Position munter weiter und ließen sich vom Abendwind ins Schwingen bringen. In ihrer Mitte ein einsamer Trapezkünstler, der „Pignouf“, der graziös gegen selbigen Abendwind balancierte und mit den wagemutigsten Bewegungen der Schwerkraft trotzte – alles ohne doppelten Boden. Die Illusion eines menschlichen Mobiles so viele Meter über den Köpfen der staunenden Zuschauer war schlichtweg atemberaubend. Ein „himmlischer“ Ausklang für einen rundum beeindruckenden Festivaltag. Abschließend hieß es: die vielen Eindrücke verdauen, Kräfte sammeln und am Sonntag wieder auf ins Getümmel zum großen Finale.

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