Kaiserslautern Mischa springt ein

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Das Turmfalkenweibchen Hella, das der „Marktplatz Kaiserslautern“ bei seinem Training im Kaiserslauterer Zoo begleiten wollte, ist weggeflogen und seither nicht mehr aufgetaucht. Zoofalkner Alan Redzepovic ist dennoch nicht untätig, sondern gewöhnt weitere Tiere an die Arbeit mit ihm und bei Flugshows. Heute ist Lannerfalkenweibchen Mischa an der Reihe.

Zoofalkner Alan Redzepovic steht auf einem Feld und schwingt eine Angel, an der an einer Schnur ein Lederbalg befestigt ist. Das warme Licht der Abendsonne lässt das Gefieder von Mischa aufblitzen, die heranfliegt und versucht, den Lederbalg zu schlagen. Eigentlich sollte dieses Training für Hella, den Turmfalken sein, aber auch drei Wochen, nachdem sie weggeflogen ist, gibt es noch keine Spur von ihr. „Nach dem Bericht im ,Marktplatz Kaiserslautern‘ haben viele Leute angerufen, die meinten, Hella gesehen zu haben“, berichtet Alan Redzepovic. „Besonders beeindruckt war ich von der Besorgnis und Freundlichkeit, die ich aus den Gesprächen heraushörte.“ Der Falkner ist den Hinweisen nachgegangen, hat viele Fahrten gemacht, aber alle blieben bis heute ergebnislos. Und so steht er jetzt mit Mischa auf dem Feld und trainiert sie. Mischa ist ein Lannerfalkenweibchen, das zur selben Zeit in den Zoo kam wie Hella. Zusammen mit ihrem Bruder Helmut, dem Lanneret, wie der männliche Lannerfalke genannt wird, kommt sie aus einer Zucht des Zoos in Neunkirchen. Die Stärke aller Falken ist ihre Geschwindigkeit. Sie jagen von einem hohen Ansitz aus, von dem sie mit extrem hoher Geschwindigkeit auf ihre Beute stürzen. Vergleichbar einem Düsenjet, legen sie die Flügel im Sturzflug in Tropfenform aerodynamisch eng an den Körper. Erst kurz bevor sie auf ihre Beute treffen, öffnen sie ihre Schwingen, um den Flug abzubremsen. In den meisten Fällen genügt bereits dieser Aufprall, damit die Beute bewusstlos oder getötet wird. Man bezeichnet den Falken deshalb auch als Luft-zu-Luft Jäger, da er seine Beute in der Luft schlägt. Die Füße und Gelenke der Falken sind für diese Art des Jagens weich und sehr flexibel. Dieses Jagdverhalten wird bei dem Training auf das Federspiel simuliert. Die Übungen dienen dem Falkner auch dazu, den Vogel darauf zu konditionieren, zu ihm zurückzukommen. Deshalb erhält Mischa zum Abschluss des Trainings von Alan Rezepovic ein Fleischstück als Belohnung. Federspiel, Falknerhandschuh, Falknertasche und Geschühriemen sind Utensilien, die sich über die Jahrtausende genauso wenig verändert haben wie die Ausübung der Beizjagd selbst. Dies ist auch der Grund, weshalb die Falknerei in die Liste der Unesco-Konvention zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Bereits vor mehr als 1000 Jahren vor Christus soll am persischen Königshof die Falknerei bekannt gewesen sein. Nach Europa kam die Jagd mit dem Falken mit den Raubzügen von Attilas Hunnen. Die Langobarden übernahmen diese Jagdtechnik, die sich von Norditalien über ganz Europa verbreitete. Kaiser Friedrich II. verhalf der Falknerei im Mittelalter zu hohem Ansehen. In seinem Werk „Über die Kunst mit Vögeln zu Jagen“ beschreibt er nicht nur die Abrichtung und Jagd, sondern hält auch ein umfangreiches botanisches Wissen fest. Von seinem Kreuzzug 1228 brachte er auch Falken und Falkner aus Syrien und Arabien mit, von denen er viel über die Kunst der Falknerei lernte. Greifvögel waren im Mittelalter auch ein Zeichen für die Zugehörigkeit zu einem Stand. In dem 1486 in England erschienenen „Book of Saint Albans“ ordnete Dame Juliana Barnes den Besitz der verschiedenen Greife den einzelnen Adelsständen zu: Dem Kaiser stand ein Steinadler zu, dem König der Gerfalke, den Prinzen der Wanderfalke. Dies setzte sich fort bis zum Baumfalken, der den Pagen, und dem Habicht, der den „armen Leuten“ zugeordnet war. Wer gegen diese Hierarchie verstieß, dem drohte das Abhacken der Hände als „ausgezeichnetes Abschreckungsmittel“. Ihren Höhepunkt erreichte die Falknerei unter der Herrschaft von Ludwig XIII. in Frankreich, wo sie hoch angesehen und bis zur Französischen Revolution weit verbreitet war. Wohl auch mit der Erfindung der Schrotflinte verlor die Beizjagd danach immer mehr an Bedeutung. 1923 wurde in Deutschland der Deutsche Falkenorden gegründet, als erste Organisation, in der sich die Falkner in Deutschland zusammenschlossen. In dieser langen Tradition trainiert auch Alan Rezepovic seinen Lannerfalken. Wenn dieser fertig ausgebildet ist, wird der Falke mit seinen Flugkünsten die Besucher der Flugschau im Zoo begeistern und sie mit seinen genauso eleganten wie rasanten Flugmanövern beeindrucken. Die Serie In der Reihe „Flieg, Falke, flieg“ begleiten wir den Falkner des Zoos Kaiserslautern, Alan Redzepovic, bei der Arbeit mit Neuzugängen.

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