Kaiserslautern „Meine Heimat ist der Rock ’n’ Roll“

Ein besonderes Konzerterlebnis kündigt sich für morgen in der Stadthalle Landstuhl an: Die Songwriterin, Poetin und Sängerin Ulla Meinecke – gleichzeitig eine bedeutende Wegbereiterin des Genres deutschsprachiger Rock- und Popmusik – charakterisiert ihr aktuelles Bühnenprogramm als Entertainment mit Anspruch und großer Leichtigkeit, weil man die Tiefe darunter spürt. RHEINPFALZ-Mitarbeiter Matthias Haag hat sich im Vorfeld ausführlich mit der Künstlerin unterhalten.

In ihrer mittlerweile 40-jährigen Karriere hat Ulla Meinecke zahlreiche Preise und Auszeichnungen wie den Deutschen Kleinkunstpreis erhalten. Sie hat 17 Alben und drei Bücher veröffentlicht und daneben auch in Hunderten Theatervorstellungen gespielt. Auf die Frage, wie sie Zeit für all diese Projekte findet, meint sie: „Ganz einfach Prioritäten setzen, sich gut organisieren. Das funktioniert, und ich bin managerlos glücklich!“ Eine kreative Frau also, die immer ihren eigenen Weg gesucht hat. Nach ersten jugendlichen Gitarrenjahren hatte sie schnell ihre Leidenschaft für das Schreiben/Texten entdeckt und das Komponieren anderen überlassen. Das hatte ihr unter anderem wegweisende Kontakte und die Zusammenarbeit mit namhaften Künstlern beschert. Udo Lindenberg war 1977 der erste, der auf ein Demo der damals noch sehr jungen Musikerin reagierte und mit ihr das erste Album produzierte. Danach folgten interessante Projekte mit Herwig Mitteregger (Nina Hagen Band, später Spliff), Edo Zanki, Rio Reiser. Mit dem Song „Die Tänzerin“ schaffte sie in Deutschland den Durchbruch. Später schrieb sie auch Texte für andere Künstler wie Annett Louisan. Ulla Meinecke ist eine beständige Größe in der deutschen Musikszene, hat jede Menge Erfahrung im Musikbusiness, aber dennoch keine Anleitung für junge Musiker parat: „Einen Ratgeber dafür kann es nicht geben. Im konkreten Gespräch könnte ich womöglich das realistische Ziel schärfen helfen und auch dabei den Illusionen auf die Spur zu kommen.“ Sie selbst sieht es als Privileg von und mit Musik zu leben – davon hätte sie nicht zu träumen gewagt: „Heute musst du als junger Künstler mit der ersten Single charten. Dass sich aber jemand entwickeln darf, ist gar nicht vorgesehen, sie werden stattdessen in den allgegenwärtigen Shows verheizt – die tun mir manchmal leid!“ Ihre musikalische Sozialisation begann in einem jugendlichen Zeltlager mit „Jumping Jack Flash“ (Rolling Stones), und seit dieser Zeit ist auch in ihrer eigenen Musik immer wieder auch die Liebe zum Rock erkennbar. Das hat sich im Grunde bis heute nicht verändert: „Meine Heimat ist Rock ’n’ Roll; das geht auch ohne tieffliegende Gitarren. Musik verbunden mit Sprache ist mein wichtiges Ausdrucks- und gar mein Grundnahrungsmittel. Wichtiger als Musik sind mir nur zwei Dinge: Schlaf und Liebe.“ Viele ihrer Lieder sind zeitlos, Ulla Meinecke schreibt nicht von den Dingen, sondern über sie. Melodie ist ihr ganz wichtig bei den Songs. Doch wie entwickelt sie einen solchen, was ist mit Grundstimmung und Stilart? „Die meisten Kompositionen sind nicht von mir. Aber mein Text hat an sich schon eine Melodie, und der Inhalt verrät auch schon eine Färbung. Die Regeln der normalen Popform – Vers, Chorus, Vers, Chorus – werden dabei immer wieder ganz bewusst gebrochen.“ Zu den Texten Meineckes finden sich Attribute wie poetisch, tiefgründig, auch mal sarkastisch. Auf die Frage nach Einflüssen und Lebenserfahrung antwortet die Künstlerin schön metaphorisch: „Ich liebe das Meer, ganz besonders seine glitzernde Oberfläche, auch die Gischt. Das ist so schön, weil man weiß, dass darunter die Tiefe ist. So ist das beim Menschen auch.“ Wer selbst Texte schreibt, hört sicher auch bei aktuellen deutschsprachigen Musikern besonders genau hin. Meinecke dazu: „Tja, ist alles Geschmackssache, und ich habe eine schwere Pathosallergie und niedrige Peinlichkeitsschwelle. Manches kann ich gar nicht nachvollziehen, und leider viel zu viele schreiben ihre Texte gar nicht selbst. Natürlich kann man über alles songtexten. Aber die allgemein verbreitete, wolkig-emotionale Schreibe ist nicht mein Ding. Aus der Warte als Musikerin: Ein blöder, unausgereifter Satz oder eine blöde Metapher – wenn sie den Song auf Tour 50mal singen müssen – ich würd’ Pickel kriegen!“ Es hat ja wohl Seltenheitswert, dass ein Musiker den Literaturnobelpreis bekommt. Zum aktuellen „Fall“ Bob Dylan meint sie: „Als sehr junges Mädchen hab’ ich den heftig abgelehnt, einfach weil er das Idol meines Englischlehrers war. Trotz seiner nuscheligen Art hat mich dieser Dylan dann später über die Sprache gekriegt. Er ist ein vielschichtiger Geschichtenerzähler und kann auch politisch. Aber das konnte auch Rio Reiser. Ob er den Preis verdient hat – dazu sollen andere was sagen.“ Ihren Schwerpunkt Singen und Texten kennen wir und wollten wissen, ob sich Ulla Meinecke auch noch von anderer Seite zeigt, ob sie die Gitarre nie wieder gepackt hat? „Meine Musiker wollen das immer, aber der Zug ist abgefahren. Die sind so wahnsinnig gut, da werde ich doch nicht herum dilettieren!“ Bei 100 Auftritten pro Jahr fragten wir nach ihrem persönlichen Rezept, um die musikalische Frische zu erhalten. „Das Programm verändert sich im Lauf der Tour, erneuert sich. Es reicht schon, wenn einer nölt, dann arrangieren wir neu oder bauen was ganz Anderes ein, oder wenn uns was Neues einfällt, wird es auch direkt live gespielt.“ Beim Konzert von Ulla Meinecke und ihren beiden Multiinstrumentalisten in Landstuhl dürfe das Publikum „eine großartige musikalische Woge der beiden Instrumentalisten erwarten. Der Gitarrist übernimmt auch gleichzeitig die Percussion. Wir klingen wie eine Fünfmanncombo und sind doch nur zu dritt. Ich singe und erzähle daneben auch die ein oder andere merkwürdige Geschichte und sorge so für Entertainment mit Dramaturgie. Sicher ist: Die Leute werden leicht und froh aus unserem Konzert kommen.“ Konzert... ... am Donnerstag, 17. November, 19.30 Uhr, in der Stadthalle Landstuhl; Karten im Vorverkauf und an der Abendkasse. |maha/Foto: frei

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