Kaiserslautern „Man zweifelt, ob es noch einen Gott gibt“

Bei der Buchvorstellung „Gretl Drexler. Briefe aus Mannheim, Gurs und Grenoble (1939 – 1942). Das Schicksal einer jüdischen Frau aus Landau in der Pfalz“ in der Pfalzbibliothek wurde auf anrührende Art und Weise an das erinnert, was jüdische Mitbürger der Pfalz in der Zeit des Nationalsozialismus erlitten haben.

So wurden etwa sechstausendfünfhundert Menschen aus unserem Land im Zuge einer großflächig durchgeführten Deportation 1940 ins französische Konzentrationslager Gurs gebracht. Gretl Drexler gehörte dazu. Die Pfalztheaterschauspielerin Hannelore Bähr las aus den Briefen von Gretl Drexler, der Witwe eines jüdischen Militärarztes, der im 1. Weltkrieg hohe Auszeichnungen erhielt. Verhalten und doch mit entsprechender Ausdruckskraft trug Bähr Auszüge aus Briefen von 1939 bis 1942 vor, die wohl jedermann in der Pfalzbibliothek ans Herz und an die Nieren gingen. Roland Paul, der Leiter der Pfalzbibliothek, steuerte Fakten, geschichtliche Zusammenhänge und Einzelheiten zur Person von Gretl Drexler bei. So erfuhr man etwa, dass die Frau als Krankenschwester im Landauer Lazarett gearbeitet hat, an Musik und Kunst interessiert und „eine moderne Frau“ war. Auch erinnerte Paul daran, dass Briefe aus Konzentrationslagern meist geschönt waren, zum einen, um die Zensur zu passieren, und zum anderen, um den Angehörigen nicht allzu große Sorgen zu bereiten. Letzte Lebenszeichen von Gretl Drexler gab es laut Paul 1942, kurz vor einem Transport von tausend Menschen von Gurs über das Lager Drancy nach Auschwitz. Über Achthundert dieser Tausend wurden sofort in den Gaskammer ermordet, wie Paul herausstellte. Die von Hannelore Bähr gelesenen Briefauszüge hinterließen – vielleicht gerade wegen der gewollten Verharmlosung des Lagerlebens – einen tiefen Eindruck. Zwar schrieb Drexler von Theateraufführungen oder Musikveranstaltungen der Lagerinsassen oder davon, dass es „zweimal am Tag eine gute Suppe und reichlich Brot“ gebe, aber kurze Anmerkungen, wie es einer älteren Frau im tiefen Morast des Lagers oder „mit Decken auf dem Fussboden“ ergehe, reichten aus, um zu erahnen, wie es wirklich ausgesehen haben muss. An die Wand projizierte, alte Fotografien – etwa von zusammengepferchten Lagerinsassen- taten ihr übriges, um die Unmenschlichkeit der Behandlung mehr als deutlich aufzuzeigen. Ebenso wie Auszüge, in denen stand, dass Drexler ihren Gürtel enger nähen musste oder dass im Lager das Reden erst ab 7.30 Uhr erlaubt war. Und so mancher kurze Ausbruch schien die Zensur doch passiert zu haben. Beispielsweise der Satz: „Man zweifelt, ob es noch einen Gott gibt, der das alles geschehen lässt“. Einmal mehr zeigte diese Buchvorstellung auf, wie schnell sich Menschen zu den ungeheuerlichsten Taten verleiten lassen, wenn die dünne Decke der Zivilisation zerreißt.

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