Kaiserslautern Mahnende Worte beim Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Das Albert-Schweitzer-Gymnasium beteiligte sich an der Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus.
Das Albert-Schweitzer-Gymnasium beteiligte sich an der Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus.

Anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 gedachten am Montagvormittag auf dem Synagogenplatz zahlreiche Frauen und Männer der Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Damit sich ein solches Verbrechen nicht wiederhole, forderten die Redner eine lebendige Erinnerungskultur.

„Wir gedenken heute aller Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt, beraubt, gedemütigt, ausgegrenzt, entrechtet, gequält und ermordet wurden“, sagte Oberbürgermeisterin Beate Kimmel. Der Nationalsozialismus habe von Beginn an vernichten wollen. „Der Nationalsozialismus reduziert sich auf die Formel: Ausschalten, was uns nicht passt.“ In keinem Wort drücke sich diese Vernichtungspraxis rückblickend erbarmungsloser aus als in dem Wort Auschwitz. Dass es 2024 Personen gebe, die all das leugneten, ja verteidigen, dieser Haltung müsste die Gesellschaft mit ganzer Kraft entgegentreten, appellierte sie.

Mindestens 1,3 Millionen Menschen wurden von den Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert. Unter ihnen eine Million Jüdinnen und Juden. „Auschwitz ist Tatort und Sinnbild des Völkermords an den europäischen Juden, Inbegriff des Holocausts.“ All dies habe sich nicht irgendwo und in grauer Vorzeit abgespielt. „Es passierte auch vor unserer Haustür, in unserer Gemeinschaft, in unserer Stadt.“ Deswegen seien wir es den Opfern und denjenigen, die die Konzentrationslager überlebt haben, schuldig, die Erinnerung wachzuhalten.

„Kein Platz für Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Ausgrenzung“

In Kaiserslautern dürfe kein Platz für Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, für Ausgrenzung und Verachtung sein. Die Demonstrationen der vergangenen Tage seien ein eindrucksvolles Zeichen dafür. Gedenkstunden wie diese bekundeten, dass die Opfer nicht vergessen seien. „Sie bekunden aber auch, welche Werte für uns heute zählen und dass wir die Verpflichtung annehmen, jederzeit für die Wahrung der Menschenrechte einzustehen“, betonte Kimmel.

„Kein Jude sollte überleben, das war das wichtigste Kriegsziel der Nazis“, erinnerte Eva Lahl-Gießer von der Jüdischen Kultusgemeinde Kaiserslautern. Laut einer letzten empirischen Erhebung der „Claims Conferenz“, einem Zusammenschluss jüdischer Organisationen, leben im Staat Israel rund 125.000 Überlebende zuzüglich ihrer Nachkommen, die bis heute von ihrer Erfahrung bis in die Enkelgeneration geprägt seien. Durch den Überfall der Hamas auf den Süden Israels und der geringen Empathiebekundung der Welt seien die Juden im eigenen Land wieder allein auf sich gestellt, so Lahl-Gießer. „Wir Demokraten sollten uns nicht spalten lassen, sondern uns querstellen, wenn Nazis, ewig Gestrige, Antisemiten, Islamisten, Rassisten und Menschenhasser unsere Republik und unsere Zukunft kapern wollen.“

Pfarrer Andreas Keller, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Kaiserslautern der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, sagte, der Holocaust sei nicht aus heiterem Himmel hereingebrochen. „Er war der präzedenzlose Höhepunkt einer nahezu 2000-jährigen Geschichte voller Hass, Erniedrigung und Misshandlung von Juden durch Christen.“ Weiter erinnerte er an über Jahrhunderte vertiefte Stereotype wie Zinswucher, unfairer Handel, Geldgier und Verschwörung, die den Juden zugeschrieben werden. Als kulturelle Codes wirkten sie noch heute im kollektiven Unterbewusstsein. Israel sei der Jude unter den Staaten. Natürlich dürfe man die israelische Regierung kritisieren wie jede andere auch. Doch beruhe die Israelkritik auf einem grundlegenden Ressentiment gegen den Judenstaat, so Keller.

Jetzt alle für Demokratie kämpfen, um eine Diktatur zu vermeiden

Angesichts eines wachsenden Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus erinnere sich eine Mehrheit in Deutschland wieder ungleich intensiver daran, wozu völkischer Hass und Herrenmenschenwahn auch in Kaiserslautern geführt hätten, so Christian Decker, Abteilungsleiter am Institut für pfälzische Geschichte. „Herrenmenschenwahn hat in Kaiserslautern zum Martyrium und der Zerstörung von Familien geführt“, erläuterte er an Beispielen. Dadurch seien während des Krieges zehntausend Zivilisten und Kriegsgefangene anderer Nationen auch in die Pfalz verschleppt worden, um dort unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit zu leisten. „War uns die Apokalypse 1945 nicht genug? Wenn wir jetzt nicht alle zusammen für unsere Demokratie kämpfen, kann es nur eine Frage der Zeit sein, bis wir uns in der nächsten Diktatur wiederfinden“, warnte Decker.

Schülerinnen und Schüler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums setzten ein Zeichen gegen den existierenden Rechtsextremismus in persönlichen Stellungnahmen, indem sie aus Schriften von Anne Frank lasen und auf den Humanismus von Albert Schweitzer, den Namenspatron ihrer Schule verwiesen. Mikhail Kats von der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz sprach ein Gebet in hebräischer und deutscher Sprache. Musikalisch umrahmte ein Saxophontrio der Emmerich-Smola-Musikschule die Gedenkfeier, zu der die Stadt Kaiserslautern eingeladen hatte. Laut Polizeiangaben versammelten sich rund 250 Teilnehmer auf dem Synagogenplatz. Blumen und Schilder mit Aufschriften wie „Rechts ohne uns“, „Friede, Freiheit, Demokratie“ und „Rassismus ist keine Alternative“ erinnerten vor dem Synagogendenkmal an die große Demonstration am Samstag gegen rechts.

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