Kaiserslautern Märchen-Wunder-„Ring“-Theater
Es waren aufregende, spannende Zeiten für Opernfans im Allgemeinen und Wagnerianer im Besonderen: Zwischen 2009 und 2012 konnte man zwei völlig unterschiedliche Lesarten von Wagners „Ring des Nibelungen“ in Ludwigshafen und Mannheim erleben. Die Mannheimer Produktion ist jetzt auf DVD erschienen.
Es war ein „Ring“-Kampf um die Deutungshoheit, bei der man auf Mannheimer Seite nie akzeptieren wollte, dass Wagners opus magnum auch auf eine Ludwigshafener Bühne passen könnte. Und es war das Aufeinandertreffen zweier Altmeister des Theaters: Hier, in Ludwigshafen, Pfalzbau-Intendant Hansgünther Heyme als Ausstatter und Regisseur, dort, in Mannheim am Nationaltheater, Achim Freyer, der ebenfalls als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner im Einsatz war. Die Gemüter gerieten vor allem in Mannheim und dort vor allem am Nationaltheater ziemlich in Wallung. Irgendwie kam man mit der ungewohnten Konkurrenz aus der Chemiestadt so gar nicht zurecht. Die Wagner-Freunde dagegen freuten sich, weil sie so zwei völlig unterschiedliche szenische Umsetzungen angeboten bekamen. Die eine davon kann man nun auf DVD zu Hause nochmals nachvollziehen. Mitgeschnitten wurde 2013 während der zyklischen Aufführungen am Mannheimer Nationaltheater, was vor allem musikalisch begrüßenswert ist, bleibt somit ein doch fast schon desaströses „Rheingold“ vom Oktober 2011 nur als schlechte Erinnerung präsent. Vergleicht man die Mitschnitte mit dem, was man aus den Premieren noch vor Augen und Ohren hat, dann schneidet die Konserve in jederlei Hinsicht besser ab als das Live-Erlebnis. Schon nach wenigen Augenblicken hat einen das für Achim Freyer so typische mythisch-mystische Zaubertheater wieder in seinen Bann gezogen. Und anders als im Theater kann man jetzt mit Hilfe zahlreicher Nahaufnahmen der Kamera viele Details entdecken. Freyer erschafft eine eigene Welt, eine Freyer’sche Märchen-Wunder-„Ring“-Welt, die seiner ersten Inszenierung von Wagners Monumentalwerk in Los Angeles zwar ähnelt, aber doch ganz anders ist. Hier hat das Nationaltheater sicherlich mit seinem „Ring“ ein Stück weit Interpretationsgeschichte geschrieben. Irgendwann jedoch setzt beim Wagner-Erlebnis zu Hause derselbe Effekt ein wie bei der Liveaufführung: Diese Totalbebilderung der Musik, für die Mannheims Noch-Generalmusikdirektor Dan Ettinger den ganz großen Pinsel benutzt, um ein Klanggemälde in satten, emphatisch aufgeladenen Farben zu entwerfen, stößt an die Grenzen unserer Aufnahmefähigkeit. Die schiere Länge des „Rings“ mit seinen fast 16 Stunden Musik ist das Problem, weil Freyer eben ein faszinierender Bebilderer, abgesehen von den ersten beiden „Siegfried“-Akten, aber selten ein Erzähler ist. Diese künstliche, mal bunte, mal eher in Schwarz-Grautönen gehaltene, immer fantasiereich gezeichnete Freyer-Welt, sie gefällt, überzeugt ästhetisch, begeistert mitunter gar. Aber sie ermüdet dann eben auch. Der „Ring“ ist ein Epos, kein Schau-Spiel, mit Freyers Bildern können wir jedoch allenfalls einen Film ausstatten, der in unserem Kopf abläuft. Aber vielleicht wollte er das ja auch. Stimmlich werden die Stärken und Schwächen dieses „Rings“ auch auf DVD offenbar. Zu den Stärken zählen sicherlich die Sieglinde von Heike Wessels, der Wotan von Thomas Jesatko, der Alberich von Karsten Mewes oder der Mime von Uwe Eikötter. Problematisch sind dagegen der Siegmund von Endrik Wottrich, Jürgen Müllers Siegfried und die von Judith Németh gesungene Brünnhilde.