Kaiserslautern „Leinen los!“

Welch eine Geschichte! „Wie ich mein Bein verlor und so zu mir selbst fand“, der Titel des Buches, das die fesselnde Lebensgeschichte des Kaiserslauterer Paralympicssiegers Wojtek Czyz atemberaubend schildert. Er hat sie erzählt, Andreas Erb hat sie aufgeschrieben. Am Dienstagabend wurde das Werk bei Thalia in der Kerststraße vorgestellt.

Dass ein Teil der Eintrittsgelder und der Erlös der verkauften Getränke in die Spendenkasse für „Sailing 4 Handicaps“ fließt, eine nette Geste. Es ist der Verein, den Czyz gründete, um Prothesen für Bedürftige in alle Welt zu bringen. „Ein neues Abenteuer. Ein neues Kapitel. Leinen los! Alles auf Anfang“, beschließt der Kaiserslauterer Journalist Andreas Erb die Lesung mit Hinweis auf die Zukunftsplanung des Sportlers, der seine Karriere 2013 in Eisenberg beendete. 238 Seiten umfasst das bei Edel Books erschienene, sehr empfehlenswerte Buch. Czyz wird im Mai 2015 mit seiner Lebensgefährtin Elena zur Weltumseglung aufbrechen. An Bord Mediziner und Prothesenmechaniker, Material, um die Ärmsten der Armen in den ärmsten Ländern der Welt mit Prothesen zu versorgen. Czyz will helfen. Aus Dankbarkeit für die Hilfe, die ihm widerfuhr, als ihn das Schicksal an den Rand des Suizids brachte. Das Buch – sehr gut geschrieben, packend wie ein Roman und doch eine Biografie – erzählt die 34 Lebensjahre des in Polen geborenen Wojtek Czyz. Mit acht kommt der Bub, ein Scheidungskind, zu seinem Vater, einem Lastwagenfahrer mit einem großen Herzen, nach Kaiserslautern. Für den Jungen aus dem Plattenbau ein Schlaraffenland. Nach den Ferien aber soll er zurück. Die Flugtagkatastrophe von Ramstein wird zu seinem persönlichen Wendepunkt. Er darf bleiben. Erb liest, Czyz erzählt – es ist ein spannender Abend. Da kommt ein Junge, der kein Wort Deutsch spricht, in eine neue, fremde Welt. Zwei Lehrkräfte, die ihn einst an der Pestalozzischule unterrichteten, sind auch unter den beeindruckten Zuhörern der fesselnden Lesung. Der Anfang in der neuen Welt ist schwierig. „Der einzige Halt war der Fußball“, erzählt Czyz. Er schildert pointiert und witzig, tiefgründig. Er zeigt auch seine Fehler, Schwächen, Widersprüche auf. Er ist traurig, wenn er über die Trennung von seinen Kindern spricht. Er wollte ihnen ersparen, was er selbst erlebte. Atemlose Stille, als Wojtek Czyz seine Tragödie erzählt, die Katastrophe auf dem Sportplatz, die Odyssee durch vier Kliniken, die Amputation. Sein Lebenstraum vom Fußballprofi ist gestorben. „Für mich war klar, mein Leben ist vorbei.“ Dann die Reha, Benefizspiele, der Fußballer wird Leichtathlet, Paralympicssieger, ein Star. Wojtek Czyz sagt dem FCK Dank dafür, dass er ein Roter Teufel werden durfte. Czyz, einer, dem geholfen wurde, hilft jetzt anderen. Czyz hat nicht vergessen, wie es 2001 war: „Die Menschen in und um Kaiserslautern haben mein Leben gerettet!“

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