Kaiserslautern Lauschen, lächeln, glücklich sein

Vier Saitenakrobaten standen am Mittwochabend im ausverkauften Rodenbacher Bürgerhaus auf der Bühne und boten akustische Gitarrenmusik der Spitzenklasse. Längst hat sich die „Acoustic Guitar Night“ hier etabliert, und selbst wenn einmal nicht die ganz großen Namen nach Rodenbach kommen – das Publikum weiß es den beiden Organisatoren Werner Hellriegel und Wolfgang Jung zu danken. Hier wird Überragendes zu konkurrenzlosen Preisen geboten.

Es war ein Abend, bei dem die eher leisen, lyrischen Töne vorherrschten. Und er erfüllte sämtliche Erwartungen, mit denen die Gitarrenfreaks aus der ganzen Region kamen: herrliche Rhythmik, stilistische Vielfalt, gutes Entertainment und aufregende Neuentdeckungen. Den Anfang machte ein Newcomer, eigentlich Fahrer der „Guitar-Night“-Expedition. Mit seiner eigenen Komposition konnte der in Leverkusen geborene und in München lebende David Schwind punkten. Ein solider Fingerpicker, sehr melodisch spielend und mit einem zarten Vibrato als Nachklang in jeder Phrase. Tim Sparks aus Minneapolis/Nord Carolina glich eher einem dem Western-Film entsprungenen, raubeinigen Scout. Spitzbart und schulterlanges, wallendes Haar, das ließ eher Countrymusik erwarten. Doch die Besucher hatten das erste Aha-Erlebnis: lauschen, lächeln, glücklich sein. Sparks spielte Fingerstyle-Stücke, bei denen die Mundwinkel gar nicht anders können, als automatisch nach oben zu wandern. Die „Mondscheinmusik“ schüttelte er nur so aus dem Ärmel. Man sah Bilder, Landschaften, erinnerte sich an Geschichten und freute sich des Lebens. Und wie alle Großen ihres Instruments, kitzelte er mit seinen lyrischen Melodien Emotionen aus seinen Hörern und erreichte sie mit seiner Virtuosität auf einer Ebene, die mit Technik nichts mehr zu tun hatte. Sparks ist Erzähler und Poet. Im „Mississippi-Blues“ zeigte er aber auch einen ungeheuren Drive, mitreißenden Groove. Gespielt mit einem Vier-Finger-Zupfmuster mit kleinen Variationen und einigen charakteristischen Hammerings, bestach der Fingerpicker, während der Daumen den Basston übernahm. Ein reichhaltiges Vokabular hat auch der Kölner Markus Segschneider in den Fingern, und damit wusste er auf schönste Weise zu überzeugen. Wenn er aus seinem neuesten Album „Sketchbook“ Stücke vorträgt, zeigt er seine ungeheure Vielfalt. Er verfügt über unzählige Rezepte für immer neue Artikulationsweisen und Rhythmen der rechten Hand, wobei man Bass und Schlagzeug mitzuhören glaubt. Was der Fingerpicker mit Daumen und vier Fingern anstellte, grenzte schier an Zauberei. Als er das „Shadows“-Medley zum besten gab, schien es, als kämen die Schatten von Hank Marvin und Bruce Selch mit dem unvergessenen „Apachen“ auf die Bühne. Den größten Aha-Effekt erlebten die Besucher bei dem Auftritt von Dean Magraw. Im Sitzen legte er die Gitarre quer über die Oberschenkel und entlockte ihr dabei nie gehörte, sanfte Schwebetöne. „Amazing Grace“ schwirrte durch die Luft und verlor sich in leisesten Improvisationen. Des Rätsels Lösung: Der ebenfalls aus Nord-Carolina stammende Musiker hält einen sogenannten E-Bow (elektrischen Bogen) an die Saiten. Die geraten dadurch in Schwingung und erzeugen schier unendliche Schwebetöne. Gleichzeitig gleitet er mit der Griffhand über die Saiten und entlockt ihnen Slidetöne. Die zweite Trumpfkarte schüttelte Magraw aus dem Ärmel, wenn er als Flatpicker die Finger der rechten Hand wie ein Plektrum benutzt und damit völlig neue Möglichkeiten des virtuosen Spiels eröffnet. Beim beidhändigen Tapping kommt man vollends aus dem Staunen nicht mehr raus. Was er angreift, wird zu Gold. Genau wie bei dem Chef der „Guitar Night“, Peter Finger. Was seine Titel so unterhaltsam macht, ist die verblüffende Natürlichkeit seines Spiels, die fließende Melodik, der man die Fingerstyle-Einflüsse vieler Jahrzehnte anmerkt. Sein Publikum spielt er mit dem „Requiem For A Friend“ wie nichts in Trance. Lyrische Passagen und Klangexplosionen wie aus dem Farbkasten lösen sich ab. Virtuos ist das, originell, manchmal gar hypnotisierend. Dieser positiv Verrückte scheint auf der Suche nach Musik nicht mal Rücksicht auf die Schwerkraft zu nehmen. Als im zweiten Set alle vier „Saitenspringer“ gemeinsam spielten, erlebte das begeisterte Publikum einen Showdown. Ein Netz aus 1000 Fäden entstand da. Kaum jemand, der von der modernen, aufwühlenden wie gefühlvollen Musik nicht gepackt wurde.

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