Kaiserslautern Kreisel-Problemen nachspüren

91-71884424.jpg

Nach dem politischen und damit kabarettistischen Sommerloch bliesen die „Untiere“ am Mittwoch zum Herbststurm: Im Lauterer Edith-Stein-Haus nahm das kabarettistische Urgestein in der lokalpolitischen Szene kein Blatt vor den Mund; Wolfgang Marschall brachte Pleiten und Pannen in gewitzten Alliterationen, skurrilen Metaphern und pathetischen Steigerungen auf den Punkt.

Die Lauterer Schnäppchenjäger und Hamsterkäufer begleitete er gedanklich zwischen Mall und Ikea-Kreisel und empfahl: volltanken und durchstarten, zusätzlich Proviant an Bord, um die langen Fahrzeiten zu überstehen. Im Opel-Areal seien mehr Ampeln als in ganz Kusel, mutmaßt Marschall: Endlich ein Ikea-Markt, aber wie kommen wir hin? Weitere Absurditäten listet Marschall in Hülle und Fülle auf, so ein Weihnachts- und Engelrausch auf Probe in der Mall. Beim Vergleich schweißtreibender Außentemperaturen draußen und imaginärer Bärte von Weihnachtsmännern drinnen ließ er kein Auge trocken. Zum Thema Herbstwind gibt es in Film, Fernsehen und Literatur viele Lachgeschichten, selbst der Kinderbuch-Klassiker „Struwwelpeter“ enthält eine tragikomische Geschichte. Bei Marschall fliegen nicht die unartigen Kinder in die Luft, sondern im Umkehrschluss werden artige Bürger bestraft: Wer brav trennt und Müll in gelbe Säcke verpackt (von Marschall in grotesker Anschaulichkeit beschrieben), sieht, wie vom Herbstwind alles zerzaust und durcheinandergewirbelt wird. Im Fazit stellt Marschall den Verantwortlichen ein schlechtes Zeugnis aus. Lautern sei zwar ein Eldorado für Gutachter-Büros (und Kabarettisten), aber nicht in der Lage, Müll- und Verkehrsprobleme zu regeln. Mit der Facebook-Affäre um den Fraktionsvorsitzenden der Linken im Stadtrat zeigte sich Marschall kommunalpolitisch ebenfalls auf der Höhe. Treffsicheren Pointen Marschalls folgten musikkabarettistische Glanzleistungen, vor allem als Marina Tamássy in einem tollen Song textlich einem Wagen folgte: ein Schelm, wer in dem sich im Opel-Kreisel (über- und durch-) drehenden Auto den OB vermutete. Die stilistische und schauspielerische Vielseitigkeit der Sängerin sollte ihr später als Wut-Berta angesichts gesellschaftlicher Widersprüche bei der Flüchtlingsproblematik Wogen der Sympathie und Anerkennung einbringen. Ein Glücksfall für die „Untiere“ ist das Hineinwachsen von Philipp Tulius in die Rolle des Lauterer OB. Er legt seiner Zielscheibe beißenden Spotts Worte in den Mund, die zwischen pseudowissenschaftlicher Wortartistik und „pälzischem Gebabbel“ zu absurden Wortspielen werden. Der Gast Volkmar Staub langte mit seinem aktuellen Satireprogramm „Ein Mund voll Staub“ kräftig hin, da kriegte sogar das Publikum sein Fett ab: Nach Lautern komme man gerne, noch lieber gehe man wieder. Munter purzeln die Worte umher, scheinbar oft ohne Systematik in einer Art Brainstorming Assoziationen und Gedanken aneinanderreihend. Seine Bilder waren umstritten, etwa bei „angespülten“ Leichen. Da ging Tamássy viel sensibler in ihrem Lied „Kids in den Kähnen“ mit der heiklen Situation um, als sie konstatierte: „Menschen ertrinken in Kähnen, andere errichten Mauern.“ Zurück zu Volkmar Staub, der singend und Gitarre spielend im Lied über „Dösbaddel, Dumpfbacke und Dünnbrettbohrer“ mit eigenen Texten punktete, ansonsten aber außer badischem Kolorit und ansteckendem Frohsinn nur wenig Treffer landete. Ein gelungener Vergleich war das Radfahren von Spitzenpolitikern im Tandem mit Kanzlerin Merkel („fest im Sattel“). Auch coole Sprüche über politische Ratlosigkeit hatten Unterhaltungswert: Nach Walter Fendt genügt es nicht, keinen Plan zu haben, man muss auch unfähig sein, ihn umzusetzen. Solche Absurditäten lieben Kabarettisten und ihre Zuhörer. Auch die Neuvertonung des Schlagers „Wenn vor Capri die rote Sonne versinkt“ mit einem frivolen Text über die Euro-Krise war originell, überbrückte geschickt auch einigen Leerlauf im Getriebe.

x