Kaiserslautern „Es darf jeder mitspinnen“

„Lauter Stellen“ heißt ein Projekt, in dem Studenten der Bereiche Innenarchitektur und Virtual Design der Fachhochschule Kaiserslautern heute für 13 Stunden sechs Lauterer Bushaltestellen mit Kunst aufpeppen. Über die Idee dazu und deren Ausführung hat sich Nina Schellhas mit Professor Werner Glas unterhalten.

Warum haben Sie sich entschieden, für dieses Projekt ausgerechnet Bushaltestellen zu verschönern?

Man kann sich mit Recht fragen: Warum befassen sich gerade Innenarchitekten und Virtual Designer mit der Möblierung im öffentlichen Raum? Ist das nicht das Metier der Architekten und Stadtplaner? Bei genauerer Betrachtung spielt die Frage der Dimension von Räumen aber eine untergeordnete Rolle, weil die Eigenschaften, die das körperliche, psychische und soziale Wohlgefühl beeinflussen, sich weitgehend ähneln. Die Haltestelle im Stadtraum habe ich als interessantes Experimentierfeld für ein fächerübergreifendes studentisches Entwurfsprojekt gesehen. Es geht dabei nicht um eine wie auch immer geartete formale Verschönerung, sondern um die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Ortes. In der Ankündigung heißt es, dass Sie in dem Projekt Nicht-Orte zu Orten machen wollen und dass das etwas mit Identität zu tun hat. Was genau soll das heißen? Der französische Anthropologe Marc Augé verwendet den Begriff Ort dann, wenn wir ihn mit eigenen oder kollektiven Erinnerungen, im weitesten Sinne also mit Geschichte verbinden. Dem Nicht-Ort schreibt er solche Eigenschaften nicht zu, meint damit also Orte ohne Gesicht, denen eine Identität fehlt und die dadurch austauschbar werden. Jeder kennt solche Orte in unseren Städten. Sie werden oft gemieden, weil diese nicht fass- und messbaren Qualitäten fehlen. Ich will keinesfalls an den Qualitäten Kaiserslauterer Haltestellen herummäkeln, die sind durchaus ansprechend gestaltet. Haltestellen sind aber immer auch als Durchgangs- oder Transiträume zu sehen. An solchen Orten halten Sie sich eigentlich nur auf, bis Sie in einen Bus oder Zug steigen können, der sie an ihr eigentliches Ziel bringt. Die fast beiläufige Nutzung dieser Orte wollen die Studierenden mit ihren Installationen für einen Tag verändern und sie so zum Ziel hoffentlich vieler Besucher machen. Und wie stellen Sie das an? Was für Kunst wird an den Haltestellen zu sehen sein? Ehrlich gesagt müssen meine Kollegen Ulrich Winko, Thomas Wagner, Stefan Hofmann, Nicole Ulrich und ich uns heute überraschen lassen. Wir sehen die fertigen Arbeiten auch zum ersten Mal im realen Maßstab. Die sechs Projektgruppen wollen Haltestellen umgarnen oder sie mit Patchwork verändern. Es werden auch parasitäre Strukturen, Videoinstallationen und künstlerische Aktionen von Kindern zu sehen sein. Eine wesentliche Idee ist die Einbeziehung der Passanten, Besucher und Fahrgäste. Deshalb an dieser Stelle auch mein Aufruf an alle Interessierten, sich aktiv zu beteiligen. Die Arbeiten werden sich durch eine rege Teilnahme über den Tag dann komplettieren. Wie können sich die Passanten denn aktiv einbringen? Beim Casimirsaal etwa können sie sich auf die Reise durch einen Zeittunnel begeben, am Pfaffplatz gibt es eine Patchworkinstallation, an der den ganzen Tag weitergenäht wird, wenn jemand Stoff spendet, und am Schillerplatz werden einige Kilometer Garn an die Kammgarn erinnern – da darf jeder mitspinnen. Wie lange wurde an dem Projekt gearbeitet? Wir haben Anfang April aus zehn Studierenden des Masterstudiengangs Innenarchitektur und 35 Studierenden des Studiengangs Virtual Design sechs Projektgruppen gebildet, die jetzt zum Semesterabschluss ihre Installationen erstmals nicht intern in der Hochschule, sondern in der Öffentlichkeit präsentieren werden. Wie ist denn die Zusammenarbeit der einzelnen Fachbereiche gelaufen? Wie sah die Arbeitsteilung aus? Zwischen Innenarchitekten und Virtual Designern halten wir eine Kooperation für sehr wichtig und zukunftsweisend, um real erfahrbare Raumkonzepte und virtuelle, nicht an Stofflichkeit gebundene Welten zu einem gemeinsamen Raumerlebnis zusammenzuführen. Das gewinnt bei Innenraumkonzepten in fast allen Bereichen schon heute immer mehr an Bedeutung. Die Aufgabenverteilung in den Projektgruppen ist in der Arbeitsphase nicht getrennt verlaufen. Gerade das gemeinsame Arbeiten hat gezeigt, dass auch die Innenarchitekten mit den neuen medialen Techniken umgehen können und die Profis am Computer einen Nagel mit dem Hammer einschlagen oder ein Gerüst aufbauen können ... Werden die Kunstwerke gleich heute wieder abgebaut? Oder bleiben die noch ein bisschen? Die Studierenden werden in der Nacht zum Donnerstag mit dem Aufbau anfangen. Das Projekt läuft bis 23 Uhr und danach wird gleich wieder abgebaut. Es ist leider nur eine Ein-Tagesaktion und mit großer Anstrengung für alle Beteiligten verbunden, aber organisatorisch ist das nicht anders möglich. Wir sind der Stadt, dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar, der Wall AG und dem Pfalztheater auf jeden Fall sehr dankbar, dass wir während des normalen Tagesbetriebs unsere Installationen zeigen können. Aber vielleicht erhöht das ja auch das Fahrgastaufkommen ...

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