Kaiserslautern Ein Käfig voller Narren

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„Unglaublich!“, „Fantastisch!“, „Einzigartig!“ Das sind nur einige wenige Superlative, mit denen die Zuschauer am Donnerstagabend in der Kammgarn ihre Begeisterung über die Show des Italieners Ennio Marchetto ausdrückten. Einzig und allein mit Papier und Pappe verkleidet, parodierte der Verkleidungskünstler unzählige Stars und erweckte sie dabei zum Leben. Von Justin Biber bis Conchita Wurst, von Helene Fischer bis Rammstein. Ein Käfig voller Narren.

Klassische Musik ertönt. Aus dem Dunkel hinter dem Vorhang tritt ein Dirigent im piekfeinen Smoking hervor und schwingt seinen Dirigierstab im Rhythmus der Musik. Plötzlich ein Handgriff: In Blitzesschnelle klappt Marchetto die schwarze Pappe herunter, der seriöse Musikdirektor verwandelt sich in die keck tanzende Marilyn Monroe mit hochgestellten Brüsten, wobei sie singt „I Wanna Be Loved By You“. Ein breitbeiniger Rapper mit muskulösem Oberkörper verwandelt sich im Handumdrehen in die amerikanische Sängerin Gloria Gaynor mit ihrem Hit „I Will Survive“ auf den Lippen. Wieder wird das Kleid umgedreht, die Locken werden auf den Boden geschmissen, das Gesicht vermummt – und schon tanzt eine orientalische Bauchtänzerin wie ein Irrwisch, wobei sie verführerisch mit Bauch und Brüsten wackelt. Licht aus. Spot an. Mona Lisa erscheint im vergoldeten Bilderrahmen, verzieht den Mund, züngelt wie eine Viper und tanzt, bis der Rahmen schief hängt. Mit dicken, wulstigen Lippen, schwarzem Bart und dem Klavier vor der Brust singt Stevie Wonder seinen Hit „I Just Called To Say I Love You“. Kaum hat Céline Dion als echte Diva im knöchellangen, rosa Kleid ihren preisgekrönten Song „Beauty And The Beast“ gesungen, schwuppdiwupp wird aus ihr – wie verhext – Tina Turner, die wir ein Hurrikan über die Bühne fegt und „The Best“ röhrt, wobei ihre (Papier-)Haare über ihren Körper peitschen und ihr Hintern wackelt wie ein fauchendes Biest. Kaum zu glauben: Marchettos Kunst lebt einzig und allein von Papier und Pappe – und von seiner unnachahmlichen Beobachtungsgabe. Er braucht keine schweren Stoffe, keine Perücken. Er kommt ohne dick aufgetragene Schminke aus. Und doch sehen seine Figuren alle total echt aus. Die Stars lassen sich ohne weiteres erkennen. Dick aufgetragen ist allerdings die Parodie. Und das macht seine Show zur eigentlichen Kunst. Da stimmt jede Bewegung, jede Mimik und Geste der parodierten Künstler. Die Operndiva erscheint mit Helm, Schild und Schwert, und hinter dem Schild verbirgt sich das fesche Dirndl von „Blondie“ Maria Helwig mit Schleifchen im Haar. Marlene Dietrich ist von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, und Shirley Bassey blökt „Goldfinger“. Ja, sogar ganz aktuell wird Marchetto, wenn er Barack Obama hinter seinem Rednerpult darstellt. Aber kaum hat man sich versehen, hat sich der US-Präsident in Bonney M. verwandelt, wobei ruckzuck die ganze Gruppe erscheint und „Daddy Blue“ schmettert. Als Verwandlungspaar erscheinen auch „Angie“ Merkel mit Helene Fischer mit ihrer schulterlangen, blonden Mähne und dem knallroten Kleid. Während die Schlagernudel „Atemlos“ trällert, öffnet sich ihr Kleid und darunter verbergen sich zwei Sauerstoffflaschen, über die sie sich reanimiert. Ihr Fett weg bekommt auch die VW-AG wegen ihres Abgas-Skandals, wenn Andrea Berg auf einem grünen Käfer thront und tönt „Du hast mich tausendmal belogen“. Sogar die britische Queen erscheint zur Nationalhymne und verwandelt sich in den Queen-Sänger Freddie Mercury mit „I Want To Break Free“ auf den Lippen. So verblüfft Marchetto ein ums andere Mal mit prachtvollen Kostümen und schrillem Outfit. Seine ausgeklügelten Kostüme sind von ausgeklügelter Finesse und stecken voller verblüffender Überraschungen. Und mit unverhoffter Täuschung führen sie mindestens ein Doppelleben. Die Ovationen des begeisterten Publikums wollten kein Ende nehmen.

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