Kaiserslautern Ein Affe im feinen Zwirn

91-73698216.jpg

Kafkas Novelle „Ein Bericht für eine Akademie“ gehört zu den bedeutendsten kürzeren Werken des Autors. Das 1917 veröffentliche, ursprünglich gar nicht für die Bühne gedachte Stück stand bereits in der vergangenen Saison auf dem Spielplan des Pfalztheaters und avancierte dort zu einem großen Erfolg. Die äußerliche Kürze und der prägnante Inhalt in treffsicherer, geschliffener Sprache, dazu der nicht alltägliche Aufführungsort im größten Hörsaal der Uni und nicht zuletzt die intensive Darstellung des tierischen Protagonisten durch den Schauspieler und Regisseur Henning Kohne machten den „Bericht für eine Akademie“ zur Theater-Perle, die man nun noch einmal in den Spielplan aufgenommen hat. Im Gespräch beleuchtet Kohne im Vorfeld der Wiederaufnahme die Aufführung mit persönlichen Anmerkungen zum Stück und zu dessen Inszenierung.

Der Inhalt der Geschichte aus dem reichen Schaffen Franz Kafkas (1883 bis 1924) ist schnell wiedergegeben, jedoch – auch gerade deshalb – offen für allerlei Interpretationen. Ein Affe berichtet den Mitgliedern einer Akademie von seiner Menschwerdung, als er aus seiner natürlichen Umgebung heraus gefangen und per Schiff nach Europa gebracht wurde. Während der Überfahrt im engen Käfig kommt er zu dem Schluss, dass eine Flucht gänzlich unmöglich sei. Als einziger Ausweg in eine erträgliche Existenz erscheint ihm die Anpassung an das Leben des Menschen und damit die Aufgabe des Affen-Seins. So erlernt er manche menschlichen Eigenheiten wie das Alkoholtrinken und schließlich sogar die humane Sprache, in der er jetzt, gekleidet in einen ordentlichen Anzug und hin und wieder in seine äffische Natur verfallend, von seiner erstaunlichen Entwicklung erzählt. Aber ist er nun wirklich frei? Und: Ist er, der noch immer äußerlich als Affe erscheint, nun wirklich ein Mensch (mit tierischen Zügen) oder doch nur ein Tier, das sich als Mensch präsentiert? Das sind Fragen, mit denen sich auch Henning Kohne in der wochenlangen Probenzeit auseinandersetzte. Kafka selbst, so erklärt Kohne, habe seinen „Rotpeter“ genannten Protagonisten einmal schlicht als einen „Affen, der spricht“ bezeichnet. So habe man ihn denn auch in Absprache mit Regisseur Reinhard Karow, mit dem er ganz auf einer Linie liege, hauptsächlich angelegt: als Affe im feinen Zwirn, der in wohl gesetzter Sprache und sich (meistens) menschlich kultiviert verhaltend von seinem Werdegang erzählt. Die vordergründige Darstellung des einzigen Akteurs ist freilich nur eine Facette in der Präsentation des Stücks. Die in einer etwa dreiviertel Stunde Aufführungszeit vorgestellte Geschichte ist eben trotz ihrer Überschaubarkeit vielschichtig und erfordert nicht zuletzt deswegen weitere Überlegungen und Kompetenzen. Kafkas ins Ironisch-Satirische spielender „Bericht“, den man inhaltlich mit der menschlichen Evolution im Allgemeinen und dem Anpassungsdruck, dem sich das jüdische Volk in Europa jahrhundertelang ausgesetzt sah (Kafka war Jude) in Verbindung bringen kann, bedient sich etwa einer ungemein „geschliffenen, vielschichtigen, faszinierenden“ Sprache, wie Kohne nicht ohne Bewunderung anmerkt. Manchmal habe er erst nach wiederholtem Lesen des Textes dessen feinsinnigen Nuancen erfasst. An der Stelle „Ihr Affentum, meine Herren, soferne Sie etwas Derartiges hinter sich haben, kann Ihnen nicht ferner sein als mir das meine“ zum Beispiel könne der Begriff „soferne“ sowohl eine Bedingung als auch einen zeitlichen Aspekt ansprechen, beides eröffne dann jeweils neue Interpretations-Ansätze. Neben dem dadurch erforderlichen Einfühlungsvermögen in den konzentrierten Text braucht es ein entsprechendes Darstellungsvermögen, das dieses Ein-Personen-Stück an einem ebenso konzentrierten, geradezu „intimen“ Aufführungsort wie den eben nur eine begrenzte Zuschauerzahl zulassenden Hörsaal einfordert. „Man muss das ganze Stück über körperlich und sprachlich höchst präsent sein“, erklärt Kohne, der genau das auch als angenehme Herausforderung empfindet. „Da wartet man als Schauspieler drauf...“. Eine Herausforderung sicher, ein Problem keineswegs für den aus Hildesheim stammenden Henning Kohne, der nach einem damals bereits erfahrungs- und erfolgreichen Bühnenleben 2003 ans Pfalztheater kam. Normalerweise, so erzählt Kohne, werde die Rolle des „Rotpeter“ ja eher von jüngeren Schauspielern übernommen. Umso mehr habe es ihn gefreut, dass er nun als einer, der – wie ja auch der tierische Bühnenheld selbst – „schon viel Leben hinter sich hat“, den „Rotpeter“ verkörpern kann. Und mit der „Verkörperung“ sind wir bei einer ganz zentralen Sache, der bemerkenswerten Affen-Maske nämlich, die Henning Kohne bei seinen Kafka-Auftritten trägt. Obwohl sie fast das ganze Gesicht bedeckt und recht massiv wirkt, ist sie dünn und federleicht – im Gegensatz zu früheren Zeiten, als man noch Gummi und ähnliche Materialen nutzte. Viel Arbeit steckt in dem kleinen Meisterwerk aber allemal. Die von Maskenbildnerin Hanna Schäfer mit dem modernen Kaltschaum erarbeitete und aktuell von Kollegin Verena Heil geschaffene Maske ist durch präzise Abdrücke genau den Gesichtszügen Henning Kohnes angepasst und wird vor jeder Vorstellung aufwendig neu erschaffen. Genauigkeit ist dabei von höchster Wichtigkeit; kleine Fehler werden nicht geduldet. Kohne hat zum Gespräch eine Maske, die es durch eine nur kleine, unsaubere Stelle nicht in die Aufführung geschafft hat, zur Demonstration mitgebracht. Tatsächlich: Was auf den ersten Blick durch Dicke und Farbgebung wie ein Crêpe anmutet, ist eine dünne, wie eine zweite Haut wirkende und sitzende, nicht ganz unangenehm zu tragende Maske. Kohne mag sie. Launig hält sich der Schauspieler die Maskenteile fürs Foto vors Gesicht. So viel Aufwand und Authentizität – man hat dazu echte Affengesichter ganz genau studiert – haben ihren zeitlichen Preis. Anderthalb Stunden und länger braucht es für die überzeugende Maske, ein ähnlicher Zeitrahmen gilt noch einmal für das Abschminken danach – wobei das Stück selbst ja nur etwa eine dreiviertel Stunde dauert... Apropos „brauchen“: „Braucht es mich?“, steht als Schriftzug auf dem T-Shirt zu lesen, das der Darsteller zum RHEINPFALZ-Gespräch angezogen hat. Wieder so eine mehrdeutige Sache, die man auf mindestens drei Arten verstehen kann: Kann ich helfen? Werde ich (aus-)genutzt? Werde ich überhaupt gebraucht? Wenn es dabei um die Frage gehen sollte, ob Henning Kohne dazu da ist, ein gutes Stück zu liefern, dann darf man getrost in jedem Fall mit „ja“ antworten... Infos Franz Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ mit Henning Kohne in der Rolle des Affen „Rotpeter“ (Inszenierung: Reinhard Karow, Kostüme: Helen Maria Boomes, Dramaturgie: Andrea Wittstock); Wiederaufnahmepremiere am 10. November; weitere Vorstellungen am 17. und 24. November, 1., 8. und 15. Dezember (Derniere), im Audimax der Universität (Gebäude 42, Hörsaal 105); Karten an der Theaterkasse, 0631/3675-209, sowie an der Abendkasse in der Uni.

x