Kaiserslautern „Die Vielfalt könnte leiden“

Vor allem die kleinen Berufsgewerkschaften wie die Lokführergewerkschaft GDL oder die Pilotenvertretung Cockpit machen gegen das geplante Tarifeinheitsgesetz mobil. Aber auch an den deutschen Theatern regt sich Widerstand, formuliert von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA). Sie fürchtet vor allem, dass sich künftig alle Vertragslaufzeiten an den Theatern am öffentlichen Dienst orientieren müssen.

Drei Arbeitnehmervertretungen sind in einem Theater, das auch über eine Opernsparte verfügt, anzutreffen: Die Sänger, Schauspieler und Tänzer sind in der GDBA organisiert. Die Musiker wiederum werden durch die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) vertreten. Alle nichtkünstlerischen Berufsgruppen wie Beleuchter, Ausstatter, Techniker und andere sind Mitglieder von Verdi. So ist dies auch am Pfalztheater in Kaiserslautern, wie Intendant Urs Häberli auf Anfrage bestätigt. So vielfältig die Gewerkschaftspräsenz an einem Theater, so vielfältig sind auch die Tarifverträge. Für alle nichtkünstlerischen Berufe gelten die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Die Orchestermitglieder wiederum werden nach dem so genannten Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern (TVK) bezahlt. Für alle anderen, also für Schauspieler, Sänger, Tänzer, Chormitglieder, aber auch für Dirigenten, Regisseure oder Repetitoren gilt seit 2003 der so genannte Normalvertrag (NV) Bühne. Die Einführung dieses Vertrags war bitter nötig, um den Tarifdschungel, der vorher an den deutschen Staats- und Stadttheatern geherrscht hatte, etwas zu lichten. Bis 2003 gab es nämlich einen NV Solo für Solokünstler, den NV Chor/Tanz für Opernchorsänger und Tänzer oder auch einen Bühnentechnikertarifvertrag für, wie es der Deutsche Bühnenverein definierte, „technische Angestellte mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit“. Man kann also nicht unbedingt behaupten, dass man sich an den deutschen Theatern in der Vergangenheit keine Gedanken über einheitlichere Tarife gemacht hätte. Die aktuelle Situation ist verglichen mit der vor zwölf Jahren ein großer Schritt in Richtung Einheitlichkeit und Transparenz. Dennoch will der Gesetzgeber noch mehr – fürchtet zumindest die Vertretung des künstlerischen Personals (ohne Musiker), die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. Die holte Anfang März gleich mit der ganz großen Keule gegen das geplante Gesetz aus. In einer Pressemitteilung hieß es: „Das in einem Haus nicht einigen können. Und hier herrscht vielleicht sogar die berechtigte Sorge bei der GDBA, von den bestens organisierten Vertretungen DOV und Verdi über den Tisch gezogen zu werden. Die größte Angst jedoch hat die GDBA davor, dass es künftig keine Einjahresverträge mehr für künstlerisch Beschäftigte geben könnte, stattdessen „nur noch kurzfristige Gast- oder Stückdauerverträge. Keine Intendanz würde die künstlerisch Beschäftigten auf kunstfernen Verträgen des öffentlichen Dienstes arbeiten lassen, da sie dann nicht mehr frei entscheiden könnte, wie ihr künstlerisches Konzept in der Praxis umzusetzen ist“, heißt es in der Erklärung der GDBA weiter. Hierin sieht auch Pfalztheater-Intendant Häberli eine Gefahr für die Arbeit an einem Theater: „Sollten sich künftige Verträge am öffentlichen Dienst orientieren, so könnte das tatsächlich negative Konsequenzen für die Angebots-Vielfalt an einem Theater haben.“ Er sieht die „künstlerische Freiheit“ eines Intendanten gefährdet, der eben das Recht haben müsse, auch mal für ein Jahr einen Barockschwerpunkt zu setzen und dafür fünf Countertenöre für eine Spielzeit zu verpflichten, „um mal ein gerade für unser Haus etwas abwegiges Beispiel zu nennen“, so Häberli. Einjahresverträge sind für Ensemblemitglieder an einem Theater der Normalfall. Anders als die Musiker im Graben, denen deswegen gerne auch schon mal Berufsmusik-Beamtentum vorgeworfen wird, gibt es für sie nur auf ein Jahr befristete Arbeitsverträge. Diese werden automatisch verlängert, sofern keine „Nichtverlängerungsanzeige“ erfolgt. „Über den Sängern und Schauspielern schwebt also stets das Damoklesschwert der Nichtverlängerung“, so Häberli. Erst nach 15 Jahren greift der sogenannte Bestandsschutz. Diese Unsicherheit ist der Preis, den bisher alle künstlerisch Beschäftigten bereit waren zu zahlen. Man wusste immerhin, woran man ist. Eine Art Nomadendasein gehörte zum Künstlerberuf dazu, da schließlich auch viele Sänger und Schauspieler immer wieder die Gelegenheit nutzen, an ein andere Haus wechseln zu können, ohne große Kündigungsfristen zu berücksichtigen. Das alles sieht die GDBA nun extrem gefährdet. Ihre Befürchtung, dass eine Tarifeinheit „den Betriebsfrieden an den Theatern“ bedrohen könnte, teilt Häberli jedoch nicht. „Dieses Szenario halte ich für etwas übertrieben.“

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