Kaiserslautern Die Leichtigkeit des Seins

Die Konzertreihe am Vogelwoog fand am Sonntag durch Wosnitza’s Little Jazz Orchestra eine deutliche Belebung und Aufwertung: Eigentlich treten Lokalmatadoren wie die hier spielenden Franz Wosnitza (Kornett) sowie Helmut Engelhardt (Sopran-Saxophon, Klarinette) in die Fußstapfen von Ikonen oder Idolen des klassischen New-Orleans-Jazz. Ironie des Schicksals: Inzwischen sind sie selbst ebenfalls beides, denn ihre jahrzehntelange Bühnenerfahrung hat die regionale und überregionale Jazzszene entscheidend geprägt.

Beim Jazz kann man immer wieder einen neuen Aspekt entdecken: Der eine ist fasziniert von der Experimentierlust in Modulationen, Improvisationen und thematischen Veränderungen – im Kontrast zur klassischen Werktreue. Der andere bewundert die immense Besetzungsvielfalt, da das Instrumentarium ebenfalls nicht zwingend „vorgeschrieben“ ist. Und Einsteiger mögen entdecken, dass es eigentlich keine falschen Töne gibt, sondern nur „harmoniefremde“ – und die warten auf entsprechende Weiterführung wie Transposition oder Modulation. Am Vogelwoog entdeckte man vielleicht das Dialogisieren der beiden führenden Melodieinstrumente ein Stückchen weit wieder neu: Die Holzbläser umschmeicheln das Blech-Blasinstrument, das sich zunehmend aus der Reserve locken. Beim Little Jazz Orchestra imitieren und parodieren sich sogar die Instrumente wechselseitig, scheinen manchmal im Wettstreit zu liegen, um sich wieder in gemeinsamer harmonischer Übereinstimmung bei Tutti-Passagen quasi zu versöhnen. Bei all diesen Spielarten des Mit-, Gegen- und Nacheinanders sitzt den beiden „alten Hasen“ des Blues, Swing und Dixieland (Wosnitza und Engelhardt) sichtbar der Schalk im Nacken, und sie loten ihre Möglichkeiten neu aus. Zumal Wosnitza wie weiland Louis Armstrong die Stimmung mit rauchig-bauchiger Stimme noch zusätzlich anheizt, in launigen Riffs und Refrains weitere Akzente setzt. Und der Saxophonist sorgt dazu für die virtuosen Kapriolen, wenn er etwa den Jazzstandard der 50er Jahre, „Petite Fleur“, dergestalt aufwertet und neu vergoldet. Das Genre des französischen Chanson hielt auch im Jazz Einzug, wovon aus dieser Zeit ein weiterer Erfolgstitel „C’ est si bon“ kündet. Diese beiden bildeten den Rahmen, während Evergreens wie „Some Of These Days“ sogar bis 1910 zurückgehen. Und der Swingklassiker „Bye, Bye Blackbird“ der 20er Jahre zeigte ebenfalls, wie lebendig solche Musik doch noch sein kann, wenn sie so taufrisch am Woog präsentiert wird. Das liegt aber neben den beiden genannten Frontspielern auch daran, dass hier der Rhythmus wie eine Eins „steht“, sich Charly Zerfass (Sousaphon) und Henrik Dahn (Banjo) blind verstehen und ergänzen. Ohne jegliches Notenmaterial hat dieses Quartett alles verinnerlicht, spielte mit der rhythmischen Präzision eines Uhrwerks, teilweise sogar ohne Absprache: Da legt einer furios los, die anderen erkennen den Hit, machen auf Anhieb mit. Doch hinter dieser scheinbaren Leichtigkeit des Seins stecken jahrzehntelange Podiumserfahrung und ein großes Reservoir an Standards. Der Bassist wechselt beispielsweise vom Viertel- zum Achtelrhythmus im Double Time ohne Probleme, und der Banjopart lässt sich nie beirren in seiner stoischen Ruhe und Sicherheit. Und Dahn steuert zudem noch einen passenden Hintergrundgesang bei. So hörte man am Vogelwoog bei der Matinee klassischen Jazz vom Feinsten.

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