Kaiserslautern Die Botschaft zählt

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Mehr die Idee eines Films, denn ihre künstlerische Ausführung hat die Jury des 65. Filmfestivals Mannheim-Heidelberg interessiert: Sie vergab drei Preise an politische Beiträge, deren filmische Qualität weniger überzeugt: „The Dark Wind“ (Irak), „Wedding Dance“ (Türkei) und „Another Time“ (Iran). Die Entscheidungen sind vor allem als politischer Appell zu sehen.

Die irakisch-deutsche Produktion „The Dark Wind“ (Original: „Reseba“) von Hussein Hassan führt in unangemessen wirkenden Hochglanzbildern und mit überzeichneten Figuren in den kurdischen Nordirak. Es ist das Jahr 2014, die Terrormiliz IS verschleppt jesidische Frauen, verkauft sie als Sklavinnen. Darunter ist die frisch verlobte Pero, die von ihrem Verlobten Reko gerettet werden kann, aber nun von seiner Familie angefeindet wird (wir berichteten). Die Perspektive ist eine sehr männliche, vor allem der Gewissensentscheidung des als tapferen Kämpfers gezeichneten Reko wird viel Raum gewidmet. Der kurdische Produzent Mehmet Aktas hat bei der Abschlussgala die Ehrung jedoch als Preis für die noch verschleppten kurdischen Frauen und jene kurdischen Kämpferinnen, die sich weiter für die Befreiung der Geiseln einsetzen, gewürdigt. Ironie am Rande: Hauptdarstellerin Dimen Zandi, zuvor mit offenen Haar im Publikum sitzend, warf sich fürs Siegerfoto schnell einen großen Schal über den Kopf. Was zum zweiten Hauptpreisträgerfilm passt, der nach scheinbar emanzipatorischem Beginn konventionell endet: Die türkische Regisseurin Çiğdem Sezgin erzählt in „Wedding Dance“ von einer Mittvierzigerin in Istanbul, die eine Beziehung zu einem Jüngeren beginnt, aber dann doch ihren Ex-Mann wieder zurücknehmen würde. Die stärkste Szene steht am Anfang: Leyla sitzt mit einer Freundin in einer Gaststätte und trinkt Raki. Beide reden davon, dass sie sich von ihren Männern nicht mehr schlagen und nicht als „Sexpuppe“ behandeln lassen wollen. Ein traurig stimmender Dialog. Und wer in jüngster Zeit als Frau in Istanbul Raki bestellt hat, weiß, wie rebellisch schon dieser Akt ist. „Wedding Dance“ verzettelt sich allerdings und enttäuscht schauspielerisch. „Unkonventionell erzählt“, wie die Vorgabe für den verliehenen Preis fordert, ist der Film nicht, es fehlt schlicht an Struktur. So wird nicht deutlich, was genau Çiğdem Sezgin sagen möchte. Bei der Preisgala bezog sie jedoch klar Stellung: Sie widmete die Auszeichnung jenen Journalisten und Politikern, denen derzeit in der Türkei „Unrecht getan werde“. Auch die Ehrung für den Hauptdarsteller des iranischen Dramas „Another Time“ ist ein Kommentar zum Umgang mit Frauen im Islam: Shaghayegh Kamandi spielt einen Vater, dessen Tochter unehelich ein Kind zur Welt brachte. Ein großer Mime ist er jedoch nicht. Die ukrainische Schauspielerin Rimma Zyubina dagegen wurde zu Recht für das subtile Drama „The Nest Of The Turtledove“ (wir berichteten am Samstag) geehrt. Nachvollziehbar sind auch die Publikumspreise für die beiden rundum gelungenen Wohlfühlfilme des Festivals, das schottische Roadmovie „Moon Dogs“ und die schwarze serbische Komödie „Train Driver’s Diary“, die auch eine lobende Erwähnung der ökumenischen Jury und der Hauptjury um den deutschen Regisseur Peter Lilienthal erhielt. Auch die Kinobetreiberjury votierte für die Komödien aus Serbien und Großbritannien – und den starken US-Thriller „Calico Skies“. Die Filmkritiker wiederum würdigten ebenfalls schlüssig den künstlerisch beeindruckendsten Film, den eine echte Newcomerin schrieb, drehte und spielte: „To Keep The Light“ (USA). Erica Faes Porträt einer Leuchtturmwärterin im 19. Jahrhundert war auch der stärkste Beitrag zum Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau.

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