Kaiserslautern Der böse alte Mann

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Eine Autotür schwingt auf. Schwarze Lederboots erscheinen, ein Mann in Schwarz steigt aus und die Fans kreischen vor Begeisterung. Der „böse alte Mann“ ist wieder da. Jerry Lee Lewis liebt – nicht ohne Selbstironie – die große Inszenierung. Auch wenn die Gelegenheiten dazu weniger werden. Nur noch zwei Konzerte gibt der Musiker, der heute 80 Jahre alt wird, im Monat.

Jerry Lee Lewis hatte seine größten Hits als Dwight D. Eisenhower Präsident der USA war – das ist 60 Jahre und neun weitere Präsidenten her. Sein Vater hatte ihn 1957 Sam Philipps, dem Besitzer der Sun-Records und Entdecker von Johnny Cash und Elvis Presley vorgestellt, dem die „schwarze Art“ von Jerry Lee Lewis und die Tatsache gefiel, dass er nicht wie die meisten anderen Rock’n’Roller Gitarre sondern Klavier spielte. Philipps ließ Lewis den alten Boogie „Whole Lotta Shakin’ Goin’ On“ aufnehmen, der sogleich ein Hit wurde. Der wilde junge Mann, der auf seinem Klavier wie ein Berserker herumtrampelte, es auch schon mal des Effekts wegen in Brand setzte, und sich auch ansonsten völlig unkonventionell aufführte, war bald der Schwarm der rebellischen Teenager. Sie nannten ihn „The Killer“, später mit dem Zusatz „böser alter Mann des Rock `n` Roll“, denn sein Leben war schon früh und über Jahrzehnte gepflastert von Skandalen. Als Lewis 1957 völlig ungeniert und eindeutig von „Great Balls Of Fire“ sang, wurde er von vielen Radiostationen auf die schwarze Liste gesetzt. Noch schlimmer kam es für ihn ein Jahr darauf. Er war gerade dabei, ein mindestens ebenso großer Star zu werden wie Elvis Presley, als er mit 23 Jahren seine erst 13-jährige Cousine heiratete. Sein Aufstieg, der eben erst begonnen hatte, war damit auch schon wieder beendet. Seine Fans waren entsetzt – das verzieh man in den prüden USA auch einem Rock’n’Roll-Rebellen nicht. Seine Tourneen wurden abgebrochen, seine Platten aus den Radioprogrammen genommen. Von diesem Rückschlag sollte sich Lewis nie wieder richtig erholen. Er verfiel dem Alkohol und jungen Frauen – heiratete insgesamt sieben Mal, das letzte Mal vor drei Jahren. Zwei Söhne starben bei Unfällen, eine Ehefrau ertrank im Swimmingpool, eine andere starb an einer Überdosis Drogen. So gefangen in einem Teufelskreis aus Exzess und Unglück, aus dem es kein Entrinnen gab, war Jerry Lee Lewis so etwas wie die Amy Winehouse der frühen Jahre. Seine Launen sind berüchtigt und werden von ihm bis heute kultiviert. Über Jahre hielt sich Lewis mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Erst 1968 kam die Karriere wieder in Schwung – als Country-Sänger. Seine ersten Rock-Hits Ende der 50er Jahre darunter „Breathless“ oder „High School Confidential“ waren auch Top-Hits in den Country-Charts, wo er nun auch wieder einstieg: „Another Time Another Place“ kam auf Platz vier, „She Still Comes Around“ auf Platz zwei und „To Make Love Sweeter For You“ sogar auf Platz eins. Und so ging es weiter bis in die 80er Jahre. Insgesamt platzierte Jerry Lee Lewis über 30 Titel in den Country-Top-10. Das macht ihn zu einem der wenigen wirklich erfolgreichen Grenzgänger zwischen Rock, Blues, Gospel und Country.

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